Café Eden - Roman mit Rezepten
später verlieh ihr Redbourne den Titel einer Gesellschaftsreporterin, wofür sie allerdings nicht mehr Geld bekam. Die Gesellschaftsspalte bestand in Fairwell hauptsächlich daraus, wer wen heiratete. Das war genauso monoton wie die Todesanzeigen, da sich die Namen ständig wiederholten. Fairwell war wesentlich kleiner als St. Elmo, und es gab nur Mormonen und Minenarbeiter.
Jeden Tag nach der Schule ging Eden in die Redaktion. Dann ergriffen Ned Redbourne und sein Kollege die Gelegenheit, sich in den Buckâs Head zu verziehen und die Zeitung ihren fähigen Händen zu überlassen. Sie schrieb die Todesanzeigen auf einer riesigen Schreibmaschine, deren Schlitten glöckchenbimmelnd in einem schönen Rhythmus hin und her glitt.
Von ihrem Arbeitsplatz aus konnte Eden über die Schreibmaschine auf die Silver Street sehen, die in den langen Schatten lag, die die Berge an den kurzen Nachmittagen warfen. Sie hatte das seltsame Gefühl, auf das Negativ eines Schwarz-WeiÃ-Fotos zu sehen.
Die Glocke über der Tür bimmelte, und als Eden aufblickte, sah sie eine Frau, die schon zu alt war, als dass sie selber hätte heiraten können, jedoch zu jung für eine Tochter im heiratsfähigen Alter. Eden dachte, sie brächte sicher die Todesanzeige eines Verwandten und setzte ihre sachlichste, mitfühlendste Miene auf. »Kann ich etwas für Sie tun?«
»Eden.« Die Frau lächelte schüchtern. »Du bist eine Zierde für die Gemeinde.«
»Danke. Sind Sie nicht Schwester Thorsen aus der Kirche?«
»Margaret. Ja.« Margaret Thorsen hatte eine hohe, glatte Stirn, und ihre Haare waren so streng aus dem Gesicht gekämmt, dass sie ihre groÃen blauen Augen betonten. Ihre Haut war ein wenig grau, wie bei den meisten Leuten in Fairwell, aber als sie ihren schweren Mantel aufknöpfte, trug sie darunter einen leuchtend gelben Wollschal, der einen sonnigen Schimmer über ihr Gesicht warf.
»Was kann ich für Sie tun?«, wiederholte Eden und griff zu Bleistift und Papier.
»Ich habe hier etwas für deinen Vater, für deine Familie, meine ich. Ich dachte, ich gebe es dir mit, dann kannst du es mit nach Hause nehmen.« Sie legte einen langen Laib, der in ein fröhlich rot-weià kariertes Tuch eingepackt und mit einer Kordel fest verschnürt war, auf Edens Schreibtisch. Der Duft verriet, was es war: Lebkuchen. »Ich bringe meinen Sauerteig-Lebkuchen manchmal zu unseren Genealogiesitzungen mit, und dein Pa isst ihn so gerne. Da habe ich mir gedacht, ihr mögt vielleicht alle was. Er ist so dankbar für die kleinste Aufmerksamkeit.«
»Danke.« Edens Magen knurrte bei dem würzigen Duft. Sobald Schwester Thorsen gegangen war, würde sie den Lebkuchen auspacken. Vielleicht würde sie auch alles aufessen.
»Ich bringe ihn dir, weil es sich natürlich nicht schicken würde, wenn ich zur Highschool ginge und ihn Gid - Bruder Douglass persönlich gäbe, und deine Mutter soll auch nicht denken, ich glaubte, sie könne ihre Familie nicht versorgen. Ich weià nicht, wie sie es aufnehmen würde.«
Ich auch nicht, dachte Eden, aber sie konnte sich durchaus vorstellen, dass sie nicht allzu freundlich darauf reagieren würde. »Es wird uns sicher allen schmecken, Schwester Thorsen. Vielen Dank.«
»Und ich wollte auch gerne einmal dich kennenlernen und mit dir reden. In der Kirche gehen wir ja nur immer aneinander vorbei. Dein Pa ist schrecklich stolz auf dich. Er sagt, du seist die klügste Person in ganz Fairwell. Er sagt, du seist eine bemerkenswerte junge Dame, und die Frauen der Douglass würden jeden Mann in die Tasche stecken. Sicher macht er da nur einen Scherz«, fügte sie hastig hinzu, »aber ich weiÃ, dass er stolz auf dich ist.«
Eden hatte keine Ahnung gehabt, dass ihr Vater solche Gedanken hegte. Zu Hause zog Gideon sich entweder mit den Arbeiten seiner Schüler oder langen genealogischen Listen in sein Studierkämmerchen zurück. Seine eigene Familie schien ihn herzlich wenig zu interessieren.
»Natürlich muss ein kluger Mann wie Gideon auch eine kluge Tochter haben. Ich meine, er weià alles über Geschichte, und sein genealogisches Werk ist einfach groÃartig. Du kennst es natürlich.«
Eden kannte es tatsächlich, aber nur, weil sie mit ihrer Schwester Ada in der Sonntagsschulklasse ihres Vaters war. Ada saà immer neben Melvin Brewster, allerdings
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