Café Eden - Roman mit Rezepten
trinken. »Es ist eine gute Geschichte, Eden. Ich kam als Gloria Trujillo zur Welt, die Jüngste, das einzige Mädchen in einer Familie von Pferdedieben. Die Trujillos waren die besten Pferde- und Viehdiebe in Kalifornien. Sie waren...« Sie sagte etwas auf Spanisch zu Lupe, nickte und schloss die Augen.
Mit einem Küchenhandtuch verscheuchte Lupe die Fliegen. »Die Trujillos waren groÃartige Viehdiebe. Zwei Generationen. Sie kannten jeden Canyon, jeden Steg und Pfad von San Gabriel bis zur Wüste nach San Gorgonio. Sie kannten den Jesuitenpass wie ihre Westentasche. Keine Herde war vor den Trujillos sicher, wenn sie beschlossen, die Pferde und das Vieh haben zu wollen. Manchmal kamen sie nach St. Elmo und plünderten die Vorratslager der Eisenbahn. Sie führten ein sehr gefährliches Leben. Einer der Brüder meiner Mutter wurde 1894 oderâ95 gehängt. Die Leute sagten immer, die Trujillos könnten einem das Pferd unter dem Hintern wegstehlen und man würde es erst merken, wenn man auf dem Boden landen würde. Aber dann hätten die Trujillos das Pferd schon längst verkauft und rauchten irgendwo unschuldig eine Zigarre.«
Lupe und Gloria lachten laut. »Das ist eine gute Geschichte«, wiederholte Gloria.
»Die kleine Ranch der Trujillos war da oben.« Lupe nickte ostwärts zu den Bergen hin. »Niemand hat sie jemals gefunden.«
»Fast niemand.« Mrs. Patterson verzog ihren zahnlosen Mund zu einem Lachen. »Meine Eltern hatten sechs Söhne, vielleicht auch sieben. Sie waren schon lange vor meiner Geburt erwachsene Männer. Harte Männer. Meine Brüder waren Schweine. Sie behandelten ihre Pferde besser als ihre Frauen oder Kinder. Sie waren auch meinem Vater gegenüber nicht loyal und bestahlen ihn. Ich kann es zwar nicht beweisen, glaube es aber trotzdem. Und dann kam ich zur Welt. Eine Ãberraschung! Ihr einziges Mädchen. Meine Eltern haben mich vergöttert. Unser kleines Geschenk, haben sie immer gesagt. Aber unter solchen Männern wie meinen Brüdern ist das Leben für so ein kleines Mädchen hart, und eines Tages, ich war vielleicht fünf oder sechs, geriet ich in eine Stampede, als meine Brüder Pferde jagten. Sie hatten mich nicht gewarnt. Meine Nase, mein Kinn...« Sie fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. »Alles war kaputt. Mein Schädel war aufgeplatzt. Es gab keinen Arzt, zu dem wir gehen konnten, und meine Eltern dachten, ich würde sterben. Aber sie haben gebetet, und so habe ich überlebt. Nach dem Unfall war ich nicht mehr sehr klug. Ich brauchte lange, bis ich wieder sprechen lernte. Wegen meines Schädels, weiÃt du. Und mein Gesicht! Aber meinen Eltern war es egal. Ich war ihr Engel, ihr süÃestes Gut.« Sie sagte zu Lupe etwas auf Spanisch, das Eden nicht verstand.
Lupe ging wieder in die Küche und kam wieder mit drei weiteren eiskalten Bierflaschen, dampfend frischen Tortillas, einem Berg gebratener Bohnen, scharfem Fleisch mit glänzend grünen Jalapeños und einer Schale mit Sauce, in der die Chilikörner wie kleine gelbe Augen schimmerten. Auf einem anderen Teller lagen goldene Tamales in Maisblättern.
»Iss etwas, Eden.« Gloria tätschelte ihr das Knie. »Ich gebe den Leuten gerne zu essen. Ich vertrage es nicht mehr so gut, aber ich schaue gerne anderen beim Essen zu. Du musst auch essen, Lupe. Eine Geschichte erzählt sich besser, wenn du nicht hungrig bist.«
Eden nahm sich vor, sich den Satz zu merken. Sie nahm eine warme Tortilla, löffelte Bohnen und Fleisch darauf, gab einen Klecks von der Sauce darüber und biss hinein. Der Schweià brach ihr aus, und das kalte Bier prickelte ihr in der Kehle, als sie einen Schluck trank.
»Ich sehe unsere kleine Ranch immer noch vor mir.« Gloria seufzte. »Mein Vater hat sie in den Canyon gebaut, wo niemand sie finden konnte. Wir hatten eine gute Scheune, aber meine Brüder lebten mit ihren feigen Frauen in Hütten. Das Haus meiner Eltern war allerdings ein gutes Haus. Dort hat meine Mutter mir Kochen beigebracht. Nicht nur, wie man kocht und brät, sondern auch den...«
»Instinkt«, warf Lupe ein.
»Ja. Und eines Morgens kommen zwei meiner Brüder angeritten, und über einem dritten Pferd liegt gefesselt ein Mann, eigentlich noch ein Junge. Er blutet schlimm. Meine Brüder haben ihn erwischt, als er ihnen nachspioniert hat. Und wer ist der Junge? Madre de Dios!
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