Café Eden - Roman mit Rezepten
kollidierten, ging Miss Merton zu dem interessanteren und schickte Eden zu den zahllosen langweiligen Anlässen, bei denen sie beinahe einschlief.
Schlimmer noch als die Ereignisse waren die Rezepte. Obwohl Miss Merton letztlich die Auswahl traf, musste Eden ihren Lesern exakte Anweisungen geben, wie man Grapefruit grillte oder Salatdressings aus gleichen Teilen Ketchup, Mayo und süÃen Pickles herstellte. Sie musste Loblieder auf Dosenschinken in Mayonnaise singen, weil die Leser des Herald genau diese einfachen und schnellen Rezepte wollten, wie Miss Merton ihr versicherte. Vor allem jetzt, da der Krieg vorbei war und kein Mangel mehr herrschte, wollten Frauen wissen, wie man ohne groÃen Aufwand Speisen zubereitete, damit sie selbst mehr Zeit hatten um Golf zu spielen oder einzukaufen.
Nach auÃen hin befolgte Eden jede Anweisung von Miss Merton, aber innerlich wurde sie in die entgegengesetzte Richtung gezogen. Häufig fuhr sie mit heruntergelassenem Verdeck und laufendem Radio mit ihrem Cabrio herum und suchte nach... Sie wusste eigentlich nicht genau, was sie suchte, sie wusste nur, dass sie eine vage Sehnsucht verspürte nach etwas, was nicht schnell und einfach ging. Die Düfte ihrer Kindheitsfreuden: die Treppe im Haus ihrer GroÃmutter, Aftons Küche, Bojoâs, Mr. Kees Laden, Erinnerungen an Gloria Pattersons Bohnen- und Fleischeintöpfe, ihre in Sackleinen eingewickelten Tortillas. Und abgesehen von Aftons Küche gab es sie alle nicht mehr, wie auch Napoleon verschwunden und mitsamt seinen Feigen Napoleon zur Legende in St. Elmo geworden war. Selbst das Gebäude, in dem sich das Pilgrim befunden hatte, war 1939 einem Erdbeben zum Opfer gefallen.
Sie durfte gar nicht darüber nachdenken.
Vor allem nicht samstagabends, wenn Eden immer mit einem der Sportreporter ausging. Für gewöhnlich gingen sie in den Happy Horseshoe, wo er sich Spiele anschaute und dabei seinen Hamburger mit Pommes frites oder ein zähes Steak mit Reis vertilgte. Er hätte auch Schuhsohlen gegessen, wenn nur genug Ketchup daran gewesen wäre. Danach mit ihm ins Bett zu gehen, befriedigte ihren physischen Hunger, berührte jedoch nie ihre tieferen Bedürfnisse oder Gefühle. Eden war sich sicher, dass der alte Mann in der Wohnung neben ihr das Ohr an die Wand presste, was ihren Enthusiasmus beim Akt ziemlich beeinträchtigte. Aber der Sportreporter brauchte sowieso nie lange, und er blieb selten über Nacht.
Freitagsabends ging sie immer zu Connie und Victor. In St. Elmo wohnten viele Verwandte von Eden, aber Freunde fand sie beim Herald nicht. AuÃer ihr und Miss Merton arbeiteten alle anderen Frauen im Schreibbüro. Sie verachteten Eden, nachdem sie erfahren hatten, dass sie ihren Job Victor Levy verdankte, dem Mann ihrer Cousine.
Eines Tages wollte sie mittags gerade die Redaktion verlassen, als sie in der Lobby zufällig mit einer Schwarzen zusammenstieÃ. Sie entschuldigten sich beide, und dann starrten sie einander an.
»Eden Douglass?«, sagte die Frau.
»Sojourner Johnson?«, sagte Eden.
Lachend schüttelten sie sich die Hände. Obwohl sie noch nicht dreiÃig war, sah Sojourner schon so aus wie ihre Mutter, deshalb hatte Eden sie auch sofort erkannt.
»Machst du immer noch so viel Ãrger?«, fragte Sojourner. »Das konntest du immer gut. Meine Mutter hat immer gesagt, du hättest ein kleines Teufelchen im Auge.«
»Ich arbeite jetzt hier.«
»Wirklich? Was machst du?«
»Na ja, ich schreibe für die Frauenseiten«, erwiderte Eden mit leisem Stolz.
»Für die alte Miss Merton?« Sojourner verzog das Gesicht.
»Ja, leider.«
»Komm doch mal wieder ins Bojoâs, Eden.«
»Das gibt es doch nicht mehr.«
»Wir sind umgezogen. Es ist jetzt weit drauÃen auf der Valley Farms Road.«
Das neue Bojoâs befand sich in einem alten, renovierten Haus, das so weit von der Innenstadt entfernt war, dass WeiÃe wahrscheinlich nicht oft hierherkamen. Eden parkte den Cord im Schatten eines riesigen alten Eukalyptusbaums. Ein ungefähr achtjähriger Junge öffnete ihr die Fahrertür und sagte, für einen Nickel würde er auf ihr Auto aufpassen. Lächelnd dachte Eden an Nana Bowers Auffassung, dass Kinder nur genug zu tun haben müssten. Sie gab ihm den Nickel und ging die Stufen zu der langen, schattigen Veranda hinauf.
Die Atmosphäre im Lokal war angenehm, ganz anders als in dem
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