Café Luna: Verbotenes Glück
inzwischen seit Jahren erpresste?
Mit einer rüden Geste nahm sie Claus das Buch aus der Hand, las den Titel und schüttelte den Kopf. „Brauchst du eine Pause vom Kitschmalen und hast dich entschlossen, ein bisschen Kitsch zu lesen?“, stichelte sie.
Claus verkniff sich eine Entgegnung. Er hatte keine Lust auf Streitereien. Er wollte nichts mehr, als in Ruhe weiterzulesen. Doch natürlich hätte er es sich denken können: Seine Frau konnte einfach nicht aufhören, Gift zu verspritzen. Dass es sie selbst nicht langsam ermüdete?
„Ja, dann lies du mal, ich ziehe mich jetzt zurück, irgendwer muss sich morgen ja wieder um Comtess Coffee kümmern“, erklärte sie, als hätte sie tatsächlich zu bestimmen, wie er seine Abende und Tage verbrachte, und wandte sich zum Gehen. Mit einem unschuldigen Lächeln wünschte er ihr eine gute Nacht und fügte hinzu: „Dann sehen wir uns also morgen in der Firma.“ Wohl wissend, was dieser Satz nach sich zöge. Valerie drehte sich langsam zu ihm um. „Bemüh dich nicht“, sagte sie mit kalter Stimme, „schlaf dich aus, oder was du auch immer Sinnvolles tust am Morgen, und lass mich nur machen.“
„Ach, das ist nett von dir“, hörte sich Claus zuckersüß entgegnen, „aber ich habe ein paar Termine, die ich nicht versäumen will.“
„Termine?“, nun schien sie langsam wirklich beunruhigt. Mit zusammengekniffenen Augen sah sie ihn an und winkte ab, wie um sich selbst zu beruhigen. „Tu, was du nicht lassen kannst. Die wichtigen Dinge gehen ja sowieso über meinen Schreibtisch.“
Claus antwortete nicht, hielt aber ihrem Blick stand. Und genoss ihre leichte Verunsicherung. So fühlte es sich also an, wenn man Valerie von Heidenthal in die Ecke drängte, auch wenn es nur eine klitzekleine war. Allzu lang war es Claus nicht vergönnt, sich über seinen kleinen Sieg zu freuen, denn Valerie wäre nicht Valerie, hätte sie sich nicht binnen kürzester Zeit wieder im Griff. Sie trat ein paar Schritte näher, sodass Claus zu ihr aufschauen musste. Als wäre er völlig unbeeindruckt von ihrem drohenden Gesichtsausdruck, legte er lässig einen Arm über die Rückenlehne des Sessels und lehnte sich scheinbar entspannt zurück.
„Ich weiß nicht, was du für angebliche Termine in der Firma hast, mein Lieber, aber lass dir eines klar gesagt sein: Versuch nicht, mir in die Quere zu kommen. Bisher warst du schlau genug, dich an unsere Abmachung zu halten. Aber in letzter Zeit scheinst du mir da ein wenig … nun, sagen wir, eigenmächtig zu werden.“
Claus zuckte mit den Schultern. Was sollte er darauf auch schon sagen? Dass er endlich aufgewacht war? Und das bedeutete, dass es Fragen gab, denen er sich stellen, Dinge, die er ausprobieren, und ein Selbstbild, das er endlich wieder erreichen wollte! Zeit wurde es! Schließlich wurde er noch diesen Monat sechzig. Endlich hatte er sich wieder daran erinnert, was er mit seinem Leben machen wollte – mehr als die Hälfte war bereits verstrichen, und er hatte nicht vor, sich auch nur einen einzigen Tag mehr stehlen zu lassen – von wem auch immer!
Valerie schüttelte voller Verachtung den Kopf und trat noch einen Schritt näher. Ihre Stimme wurde ganz leise, sodass man fast hätte meinen können, sie wolle ihrem Mann etwas Zärtliches ins Ohr flüstern, wenn in ihren Worten nicht dieser eiskalte Unterton mitgeschwungen wäre. „Ich muss dich hoffentlich nicht daran erinnern, dass du besser spurst, wenn du nicht möchtest, dass ganz Hamburg erfährt, wer seine Finger bei dem Konkurs und dem sogenannten Selbstmord des alten Casper im Spiel hatte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dir Spaß machen dürfte, von allen geschnitten zu werden. Aber falls doch, kannst du ja schon mal ein Geständnis aufsetzen?“ Sie lachte, ohne zu wissen, wie nahe sie tatsächlich der Wahrheit gekommen war. Ihr Lachen war kein angenehmes. Es hatte schon immer etwas schrill geklungen und ließ Claus nun an eine Hyäne denken. Er antwortete nicht und sah ihr hinterher, als sie den Raum verließ. Ja, er hatte tatsächlich häufiger in letzter Zeit darüber nachgedacht, was wohl geschähe, wenn er Kontakt mit der Witwe oder den Erben von Herrn Casper aufnehmen würde. Je mehr Jahre verstrichen waren, desto größer war sein Bedürfnis geworden, mit jemandem darüber zu reden, was damals passiert war und seitdem auf seinem Gewissen lastete.
Es war erst Morgengrauen, als Luisa mit Katze an der Alster entlang spazieren ging. Molly hatte noch selig
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