Cagot
ebenfalls Polizist. Ich muss mit Ihnen reden. Jetzt.«
Alles in David sträubte sich bei dem Gedanken, hier verhört zu werden. Er fühlte sich in die Ecke gedrängt. Aufgespießt. Etwas Schreckliches würde passieren. Hier oben, in der Abgeschiedenheit ihres Zimmers, im obersten Stockwerk. Er sah bereits Blut über die Badezimmerwand spritzen.
Er blickte in Amys Richtung; sie schaute ihn resigniert an, als wollte sie sagen, was bleibt uns schon anderes übrig? Dann wandte er sich wieder den Polizisten zu.
»Meinetwegen. Aber … unten. Auf der Terrasse. Bitte …?«
Sarria seufzte ungeduldig. »Na schön, dann also unten.«
Zu viert zwängten sie sich in den klapprigen Hotelaufzug und fuhren ins Parterre hinunter. Im Foyer entdeckte David einen weiteren Polizisten, der mit seinem rauschenden Funkgerät am Eingang in der Sonne stand. Das Hotel wurde bewacht.
Sie gingen in die andere Richtung, auf die Terrasse hinaus, zu einem Tisch, der fast näher am Meer lag als an der Bar. Er war von eingetopften Nadelgewächsen umgeben, die sie vor neugierigen Blicken schützten.
Amy hielt Davids Hand, sie schwitzte am ganzen Körper. Die zwei Polizisten nahmen links und rechts von ihnen Platz. David spürte, dass auch er zu schwitzen begann. Kurz fragte er sich, ob er krank wurde. Hatten sie sich an den Leichen im Keller des Cagot-Hauses infiziert? Warum waren die Leichen dort überhaupt aufbewahrt worden?
Die Wörter Pest und Pocken tauchten vor seinem geistigen Auge auf und zerfetzten den letzten Rest an Gleichmut, der ihm noch geblieben war. Er versuchte, sich auf das anstehende Problem zu konzentrieren. Der Polizist ergriff das Wort.
»Ich bin dort geboren … in Bayonne«, begann er, vollkommen zusammenhanglos. Er sah erst Amy, dann David an. »Ja, ich bin Baske. Das ist mit ein Grund, warum ich weiß, dass Sie Hilfe brauchen.«
»Und … worum geht es eigentlich?«, fragte Amy ganz direkt. »Warum sind Sie hier, Brigadier?«
»Wir haben Mademoiselle Bentayou observiert. Möglicherweise ist sie eine wichtige Zeugin in dem Mordfall, dem ihre Familie zum Opfer fiel.« Er nickte ernst. »Oui. Und wir wissen, dass sie von Biarritz nach Frankfurt geflogen ist.«
»Dann ist sie also in Deutschland …«, platzte David heraus.
»Und von dort ist sie der Fluggesellschaft zufolge direkt nach Namibia weitergeflogen.« Sarrias Miene wirkte gereizt. »Versuchen Sie also nicht, mir etwas vorzumachen, Monsieur Martinez. Wir beschäftigen uns schon eine ganze Weile mit dieser rätselhaften Angelegenheit. Die Spur aus Blut und Gewalt … die von den Morden in Gurs … zu diesem Haus in Campan führt, wo jemand zwei Schüsse gehört hat.« Seine Stimme war gepresst. »Ihren Namen haben wir übrigens von dem alten Dorfpfarrer in Navarrenx erfahren. Danach war es nicht mehr schwierig, Erkundigungen über Sie einzuziehen. Die Zeitungsmeldung über Sie und so weiter.« Der Brigadier blickte auf die winzige Tasse, die ihm ein Kellner brachte: ein Cafe noir. Er rührte ihn nicht an. »Vielleicht interessiert es Sie zu hören, dass der alte Geistliche wohlauf ist. Ich glaube, er hat Ihnen das Leben gerettet. Er konnte die Kirchentür wohl gerade noch rechtzeitig schließen.«
Aber mit dieser Erklärung gab sich Amy nicht zufrieden.
»Aber wie haben Sie uns gefunden?«, fragte sie. »Hier in Biarritz?«
»Ich bin Brigadier der Gendarmerie. Und es gehört zu meinen Aufgaben, baskische Terroristen zu observieren.«
David warf Amy einen kurzen Blick zu; ihre Miene war gefasst, ihr blondes Haar bauschte sich in der leichten Brise. Trotzdem entging David der Gefühlsaufruhr unter ihrem betont neutralen Gesichtsausdruck nicht. Er fragte sich, ob sie an Miguel dachte; er fragte sich, was sie über Miguel dachte.
Nach einem kurzen Blick zur Seite, zu seinem Kollegen, fuhr Sarria fort: »Wir haben überall im Baskenland unsere Kontakte. Wachsame Kontakte. Dass Sie in Biarritz sein könnten, haben wir vermutet, weil Eloise Bentayou von hier abgeflogen ist. Deshalb habe ich alle Internetcafé-Betreiber gebeten, nach einer jungen Engländerin Ausschau zu halten, auf die Ihre Personenbeschreibung zutrifft, Miss Myerson. Nicht sonderlich diffizil.«
Sarrias stummer Begleiter ließ den Blick über die Terrasse und den Strand wandern; wie der Bodyguard eines hohen Politikers, der ständig die Umgebung im Auge behielt.
»Außerdem weiß ich natürlich, dass Miguel Garovillo hinter Ihnen her ist«, fuhr Sarria fort, »einer der gefährlichsten
Weitere Kostenlose Bücher