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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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stockend, aber mit klarer Stimme zu erklären, dass sie sich angefault und verdorben fühle, weil sie Miguel einmal geliebt habe. Und deswegen sei alles ihre Schuld. Alles. Weil sie ihn einmal geliebt habe, habe sie alles vergiftet. Sie sei die Unreine.
    Bis auf die Handtücher war Amy nackt. Sie waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, und David konnte die französische Seife auf ihrer rosigen Haut riechen. Amy fröstelte wieder, und dann sah sie David an und hauchte: »Ich hätte Miguel nicht lieben dürfen.« Und sie sagte das auf eine Art, die so dunkel und betörend, so untröstlich und hingebungsvoll war, dass er einfach nicht anders konnte. Er beugte sich vor, und seine Lippen senkten sich auf ihren feuchten Mund hinab, und das Wort Miguel wurde ein Kuss, ein wilder Kuss, und dann glitt seine Hand in ihr feuchtes blondes Haar, und zwischen ihren Küssen raunte sie: »Mach mich wieder rein«, und raunte es noch einmal: »Mach mich rein«, und dann sagte sie: »Fick mich.«
    Es war einer der besten Momente seines Lebens gewesen und einer der komplexesten.
    David war aufgewühlt und blieb aufgewühlt. Denn es hatte so etwas Aufgeheiztes, Intensives, aufregend anderes, wenn sie miteinander schliefen. So etwas hatte er noch nie erlebt. Sie waren vollkommen außer Atem nach dem Sex und glänzten vor Schweiß. Um ihre Nacktheit von der nächtlichen Meeresbrise kühlen zu lassen, hatten sie die Balkontüren weit offen stehen lassen. Und so war es seitdem weitergegangen: heftig und wild. Das Ficken. Die Kratzer, die sie ihm auf dem Rücken beibrachte, waren so tief, dass sie brannten, wenn er am Morgen duschte.
    Manchmal fragte sich David, warum ihr Sex so köstlich wild, so zärtlich brutal war. Lag es an ihrer beider Einsamkeit? An der unglücklichen Vergangenheit, die sie hatten? An der ständigen Todesnähe? Manchmal sprach Amy über ihr Judentum, über ihre Familie, ihren toten Vater - sogar über ihre von den Nazis ermordeten Verwandten -, und er glaubte, tiefsitzende Schuldgefühle aus ihren Erzählungen herauszuhören. Die Schuldgefühle der Überlebenden. Und vielleicht war das etwas, was auch er hatte. Die Schuldgefühle des Überlebenden.
    Vielleicht war es das - was sie mit solcher Leidenschaftlichkeit zueinandertrieb. Sie waren beide allein, und sie waren beide Überlebende. Sie waren wie Verhungernde, die nach Wochen zum ersten Mal wieder Nahrung bekamen, sie gierten nach dem Körper des anderen, weideten sich aneinander; manchmal biss sie so fest in seine Schulter, dass er fast blutete, manchmal zog er brutal an ihrem Haar, und oft beschimpfte sie ihn und setzte sich wild zur Wehr, wenn er sie herumdrehte, um sich ihm schon im nächsten Moment wieder ganz hinzugeben und sich dann wieder zu wehren; und ihre süßen braunen Beine traten ekstatisch in die Laken, wenn sie, sich am Kopfteil festkrallend, in das Kissen schrie.
    »Fester«, stieß sie atemlos hervor, »noch fester.«
    Und alles war von Miguel verhext. Von der Erinnerung an Miguel, wie er sie in der Hexenhöhle vergewaltigt hatte. David wollte es nicht wahrhaben, aber es ließ sich nicht leugnen. Miguel war immer präsent. Er war sogar gegenwärtig, wenn sie miteinander schliefen. Vielleicht sogar ganz besonders dann, wenn sie miteinander schliefen.
    Eusak Presoak! Eusak Herrira! Otsoko.
    Jetzt waren sie schon fünf Tage in Biarritz, und er wusste, er war dabei, sich in Amy zu verlieben, und er überlegte, was er als Nächstes tun sollte.
    Er ging vom Balkon ins Zimmer zurück und hörte den Schlüssel im Schloss; es war Amy. Er sah sie fragend an. Sie war im Internetcafé gewesen. Weil sie fließend Französisch und Spanisch sprach, fanden sie, dass sie dort weniger auffiele als David, und deshalb ging sie häufiger hin als er.
    Er konnte ihr ansehen, dass es Neuigkeiten gab.
    »Eine Mail?«
    »Ja.« Sie setzte sich aufs Bett und zog ihre Sandalen aus. Sie trug eine enge Jeans und einen grauen Kaschmirpulli; das Herbstwetter in Biarritz war sonnig, aber kühl. Bereits der Anblick ihrer schlanken Fesseln weckte wieder Gelüste in David. Doch sie hatten bereits am Morgen zweimal miteinander geschlafen: Es war zu viel. Es war alles zu viel. Es war großartig. Er hatte Hunger. Er hatte Lust auf ein ausgiebiges Frühstück mit Brioches und Baguette und süßer Bayonne Confit de Cerise. Er wollte sie nackt sehen, sie dort berühren, am verwundeten Pelz, die von Jägern angeschossene Wölfin, die blutend im Schnee lag. Zu viel.
    »Eloise hat

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