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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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Tomasky zu denken. Er strengte sich mächtig an.
    Erschrocken merkte er, dass er immer noch das Handy in der Hand hielt - und der Psychiater immer noch dran war. Er entschuldigte sich bei Bill Fanthorpe, unterbrach die Verbindung und rief sofort seine Frau an.
    Sie bestätigte ihm, was Fanthorpe gesagt hatte. Es schien kein Grund zur Besorgnis zu bestehen. Tim war tatsächlich einfach weggegangen; es war nicht das erste Mal, dass er sich aus dem Staub machte; das letzte Mal hatten sie ihn keine zwölf Stunden später wiedergefunden …
    Aber damit waren Simons Bedenken keineswegs ausgeräumt. Er versicherte Suzie, in voller Lautstärke, dass er sie liebte; ob jemand mithörte, war ihm egal. Dann versprach er ihr, so bald wie möglich nach Hause zu kommen.
    »Okay, Simon. Natürlich …« Ihr Ton war fürsorglich. Liebevoll. Mehr, als er verdiente.
    »Ich melde mich später noch mal, Schatz.«
    Als Nächstes rief er am Flughafen an. Die Auskunft, die er dort erhielt, war nicht die, die er hören wollte. Den letzten Flug von Lyon nach London hatte er bereits verpasst.
    Der nächste ging erst wieder am frühen Morgen. Wenn er so schnell wie möglich zurück wollte, müsste er bis Tagesanbruch warten.
    Nach denkbar kurzem Zögern buchte er den Flug.
    Das war’s also. Er würde die Nacht noch im Kloster verbringen und in den frühen Morgenstunden zum Flughafen fahren und nach Hause fliegen. Blieben ihm also nur der Nachmittag und der Abend, um vielleicht doch noch etwas Brauchbares zu entdecken. Aber dann musste er zu seiner Familie zurückkehren. Sie beschützen.
    Simon setzte seine glücklose, zum Scheitern verurteilte Suche fort. Er kam sich vor wie der letzte Trottel. Er ging aufs Dach hinaus. Es war so trostlos wie seine Stimmung. Vollkommen flach, mit Gras bewachsen. Seltsame kastenartige Aufbauten entpuppten sich als moderne Wasserspeier.
    Schließlich fuhr er mit dem Aufzug nach unten. Im Bauch des Gebäudes befand sich das religiöse Kernstück des Klosters: eine große dunkle, rätselhafte Kapelle, halb in den Hang darunter gegraben, auf einer Seite von schlanken Buntglasfenstern erhellt.
    Und das war’s. Das war die Kapelle, und das war das Kloster. Aus Rücksicht auf seine Nerven zog er sich in den Betonkreuzgang zurück und simste Suzie hektisch die Frage: »Irgendwas Neues«?
    «Nichts«, simste sie zurück.
    Aufgewühlt, fast wütend, ging er noch einmal in die Bibliothek. Zum zweiten Mal. Vielleicht gab es dort doch etwas. Auf jeden Fall gab es eine Menge Bücher. Aber es waren langweilige Bücher. Französische Bücher. Irrelevante Bücher. Bücher von Thomas von Aquin. Eine Geschichte des Dominikanerordens. Das Leben des heiligen Dominikus. Eine Auswahl von Architekturmonographien für die Architekturpilger. Eine dünne französische Biographie Papst Pius’ X. lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich, doch dann sah er dreihundert andere Bücher derselben Serie: die Leben sämtlicher Päpste der Kirchengeschichte.
    Außer ihm waren nur noch zwei andere Personen in der Bibliothek. Eine junge Frau, die in einen gelbgebundenen Band von Le Corbusier vertieft war: Vers une architecture. Und ein Mönch, der Hose und Strickjacke trug - und eine Brille, deren Gläser so dick waren, dass er aussah wie ein hektischer Baumfrosch.
    Simon versuchte, die Gedanken an Tim aus seinem Kopf zu verdrängen. Doch sie kletterten durch das Fenster seiner Seele in sein Hirn zurück. Wo war Tim? Wanderte er gerade mutterseelenallein eine Straße entlang? Schlief er in einem Treppenhaus? Kaufte er sich ein richtig großes Messer?
    Es gab nichts, was er tun konnte, nicht hier, nicht in diesem Moment. Er musste sich mit Arbeit ablenken. Niedergeschlagen blätterte er in einem Bildband über die einzigartige Architektur des Klosters, in dem ausführlich auf die baulichen Details eingegangen wurde und in großer Ausführlichkeit von »Lichtkanonen« und »Pilotis« die Rede war.
    Simon lehnte sich seufzend zurück und blickte sich um. Die großen hohen Fenster der Bibliothek öffneten sich auf die endlosen Weinberge der Umgebung. Das Kloster lag sehr isoliert. Gedrungen, fremdartig und einsam unter dem grau-schwarzen Lyoneser Himmel.
    Ein Herbstgewitter zog auf - ein grandioser Anblick. Die ersten Donnerschläge rumpelten durch das Rhonetal und ließen das Kloster buchstäblich erbeben. Sogar der stumme Mönch schaute bei dem Geräusch mit kreisenden Glubschaugen von seinen Studien auf.
    Das Donnergrollen war wie ein von einem

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