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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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Palmen säumten die graue, staubige Landebahn, aber direkt hinter dem Asphalt erhoben sich mächtige Sanddünen, wie mitten in der Bewegung erstarrte ockerfarbene Flutwellen mit Kronen aus wirbelndem Staub.
    Benommen traten die Passagiere in die brüllende Hitze hinaus und stiegen die Gangway hinab. Die afrikanische Sonne brannte auf der Haut. Amy hielt eine Zeitschrift an ihre Stirn, um das Gesicht gegen sie abzuschirmen; David stellte den Hemdkragen hoch, um seinen Nacken zu schützen. Der Flughafen - eine Insel aus glühendem Asphalt in einem Meer aus heißem Sand - war so winzig, dass sie in zwei Minuten den Terminal erreicht hatten. Zu Fuß.
    An der Passkontrolle wurden sie von drei apathischen Typen abgefertigt, die vorgeblich Englisch sprachen; zehn Minuten später waren sie auf namibischem Hoheitsgebiet. Als sie aus dem Flughafengebäude auf den in der prallen Sonne brütenden Parkplatz hinaustraten, sprach sie ein lächelnder schwarzer Taxifahrer an.
    Wohin wollten sie überhaupt? Ihre heimlichen Recherchen in den Internetcafes von Biarritz hatten ergeben, dass Swakopmund, der Ort, den ihnen Eloise genannt hatte, in der Mitte des namibischen Küstenstreifens am Meer lag. Dort fände sich auch am ehesten jemand, der bereit wäre, sie in die Wüste zu bringen: Trekker und Outdoor-Ausrüster.
    »Könnten Sie uns nach Swakopmund bringen?«, fragte David den Taxifahrer. »Okay! Swakop!«
    Das Gepäck wurde beiläufig in den Kofferraum geworfen, und das Taxi fuhr los. Die Straße führte schnurgerade durch die Wüste. Durch das Flirren der klaren afrikanischen Luft konnte David einen schmalen Streifen Blau am Horizont sehen.
    »Ist das dort hinten das Meer?«
    »Ja, Sir!«, antwortete der Taxifahrer. »Walvis und Swakop sind am Meer. Am Meer sind viel Flamingo. Aber die schwimmen nicht, viel Qualle und viel, viel Haifisch.«
    Sie wurden von einem heftigen Windstoß durchgeschüttelt, und der Wagen geriet ins Schaukeln. Der Fahrer lachte.
    »Sie kommen zu falscher Zeit!«
    »Welche Zeit ist denn jetzt?«
    »Der Winter ist kalt. Viel Wind und vielleicht sogar Regen.«
    »Kalt?«
    »Ja, Sir. In Swakop ist immer Wind. Aber jetzt ist kalt. Benguelastrom.«
    David blickte auf die endlos sich wellenden Riesendünen hinaus, die in der erbarmungslosen Sonne in schroffem gelblichem Weiß leuchteten. Sand wehte über die Straße - gelbe Staubschlangen, die sich über den glühenden Asphalt wanden und dann auflösten.
    Jetzt, wo sie hier waren, erschien ihnen ihr Vorhaben, Eloise zu finden, plötzlich vollkommen aussichtslos, geradezu hirnrissig. Sie befanden sich in einem gigantischen Nichts, in einem Land von geradezu überwältigender Verlassenheit, dessen nicht einmal zwei Millionen Einwohner auf eine sonnenversengte Öde von der Größe Frankreichs und Großbritanniens zusammen verteilt waren. Und in dieser gottverlassenen Wildnis suchten sie nach einem Mann und einer Frau. Ob dieses Hotel überhaupt existierte?
    Der Taxifahrer deutete durch die Windschutzscheibe. »Swakop!«
    Der Anblick, der sich David bot, als er aus dem Autofenster blickte, hatte etwas zutiefst Unwirkliches. Vor ihnen, mitten in der Wüste, tauchte ein Pastiche einer deutschen Kleinstadt auf: schnuckelige Häuser, Kirchen mit hohen Türmen, kleine Geschäfte mit Schildern in verschnörkelter Frakturschrift und Reklametafeln für deutsche Zeitungen und Beck’s-Bier. Doch auf den Gehsteigen wimmelte es von Menschen mit schwarzer oder rötlich brauner Haut, und bei den wenigen Weißen, die unter ihnen waren, schien es sich um amerikanische oder europäische Touristen zu handeln.
    Der Taxifahrer brachte sie zu dem Hotel, das ihnen Eloise genannt hatte. Er lobte ihre Wahl, weil sein Bruder einmal dort abgestiegen war und »so viele Austern bekam, dass ihm schlecht wurde«. Das Hotel war groß und verwahrlost, und der Anstrich warf vom Wind Blasen, aber es lag direkt am Meer, mit Blick auf den Pier und den aufgewühlten blaugrünen Ozean.
    Auf dem Pier waren ein paar weiße Angler in dicken Pullovern und Anoraks. Jeder hatte einen blutverschmierten Eimer mit seinem Fang neben sich stehen. Sie unterhielten sich auf Deutsch und lachten. Dabei aßen sie schwarzen Kuchen.
    Als David die Fische in den Eimern sah, musste er an die Jungaale denken, die Jose in der Küche des Cagot-Hauses gebraten hatte - seine letzte Mahlzeit. Dann die Schüsse, der Selbstmord, der blutige Matsch an den Wänden. Das über den Kellerboden schwappende Leichenwachs.
    Als Erstes

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