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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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Seminarist hier waren?«
    »Ja. In den neunziger Jahren wurden hier viele junge Geistliche ausgebildet. Und der damalige Bibliothekar, er war mit seinen abweichlerischen Auffassungen wie ein bösartiges Geschwür. Die Piusbruderschaft hatte damals im Kloster enormen Einfluss. Er unterrichtete ganz nach eigenem Gutdünken. Stützte sich auf unzulässige Texte und Materialien. Aber jetzt haben wir Bruder McMahon. Und wir sind auch kein Seminar mehr. Möchten Sie noch einen Schluck Wein?«
    Die Frau hielt dem Mönch ihr Glas hin. Ihre Unterhaltung geriet ins Stocken.
    Simon trank seinen Kaffee aus, ohne etwas davon zu schmecken; das Einzige, was er schmeckte, war ein Hauch von Triumph. Das war sie also, die Erklärung. Tomasky war hier in La Tourette gewesen, ein engagierter junger katholischer Seminarist. Und er war vom damaligen Bibliothekar unterrichtet worden.
    Aber wie war es zu dieser einschneidenden Veränderung in seiner Persönlichkeitsstruktur gekommen? Allem Anschein nach wurden in diesem Kloster Geheimnisse gehütet, die zu extremer religiöser Militanz, ja sogar mörderischer Gewalt führten.
    Und doch gab es keinerlei Hinweise, dass sich die geheimen Forschungsergebnisse hier im Kloster befanden.
    Simon stand auf, um das Refektorium zu verlassen - vielleicht sollte er seine Suche in den Büchern der Bibliothek fortsetzen. Vielleicht waren die geheimen Unterlagen in den Büchern versteckt: in einer Fremdsprache. Griechisch. Arabisch. Oder verschlüsselt?
    Natürlich stand hinter dieser Entscheidung pure Verzweiflung, aber was sollte er anderes tun? Ihm blieb noch dieser Abend, mehr nicht. Danach hieß es: ab nach Hause, Conor drücken und Tim suchen. Simon ging zum Ausgang und sah, dass der junge Besucher, der sich mit dem Mönch unterhalten hatte, inzwischen allein an dem langen Tisch saß. In Gedanken versunken.
    Worüber hatten die beiden so hitzig diskutiert? Der junge Mann und der Mönch?
    Simon packte die Gelegenheit beim Schopf. Er ging auf ihn zu und streckte die Hand aus. Der junge Mann lächelte zutraulich.
    »Hallo. Julius Denk!«
    »Sssimon … äh, Edgar Harrison.«
    Ein dummer Fehler. Aber Julius Denk schien ihn nicht bemerkt zu haben. Er hatte etwas Aufgewecktes - wirkte aber zugleich ein wenig abwesend. Seine dünnrandige Brille reflektierte das Lampenlicht. Er sprach sehr gut englisch, studierte in Stuttgart Architektur und interessierte sich für Le Corbusier. Simon hatte von seinem Vater gerade genug über Architektur aufgeschnappt, um sich zur Not als Architekt ausgeben zu können.
    Nachdem sie sich eine Weile über das Kloster unterhalten hatten, kam Julius auf den Mönch zu sprechen, mit dem er beim Abendessen diskutiert hatte.
    »Dieser Mönch macht einen ziemlich unglücklichen Eindruck. Irischstämmiger Amerikaner. Pichelt ganz ordentlich. Ist schon sieben Jahre hier.«
    »Ja?«
    »Ja. Ich glaube, er ist der Bibliothekar hier. Anscheinend steckt er gerade in einer tiefen Glaubenskrise. Er verliert seinen Glauben an Gott. Nicht gerade berauschend für einen Mönch, würde ich sagen!« Der junge Deutsche lachte. »Irgendwie hat er mir leidgetan, wissen Sie. Aber er redet zu viel. Na ja, der Wein ist ja auch wirklich nicht übel, finden Sie nicht auch?«
    Simon gab ihm recht. Und stellte gleichzeitig wilde Spekulationen an. Der Bibliothekar verlor seinen Glauben. Warum?
    Währenddessen sprach Julius Denk weiter.
    »Sie sind doch sicher wegen Le Corbusier hier, Mister Harrison? Aber Sie haben noch gar nicht gesagt, wie Sie ihn eigentlich finden.«
    »Ahm … na ja. Le Corbusier. Was soll ich sagen? Ich finde ihn ganz okay.«
    »Ja? Was gefällt Ihnen an seiner Arbeit besonders?«
    »Die, äh, Villa in Paris.«
    »Savoye?«
    »Ja, die. Die finde ich gut.« Der deutschte Student strahlte.
    »Allerdings. Die Villen finde ich auch richtig klasse. Und vielleicht noch Ronchamp. Aber dieser Bau hier ist eine einzige Katastrophe, finden Sie nicht auch?«
    Simon zuckte mit den Achseln. Ihm war im Moment nicht danach, sich auf eine fachliche Diskussion über »Sichtbeton« oder den »Modulor« einzulassen. Aber er unternahm zumindest einen Versuch, sich wenigstens halbwegs den Anschein von fachlicher Kompetenz zu verleihen.
    »Ich finde, das Kloster hat etwas ziemlich … Gespenstisches. Nein, auf jeden Fall. Diese Geräusche überall, vor allem im … äh … oberen Teil.«
    »Ja, jedes Geräusch wird verstärkt. Vollkommen richtig! Und nachts ist es, glaube ich, noch schlimmer. Ich bilde mir

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