Cagot
glitzerte -, schlichen aus dem Hotel und nahmen sich für die wenigen hundert Meter zum Herero-Denkmal ein Taxi. Während der ganzen Fahrt drückten sie sich tief in ihre Sitze.
Wie Petersen gesagt hatte, waren seine Fahrzeuge nicht zu übersehen: zwei große ockerfarbene Landrover mit der Aufschrift »Desert Elephant Project« an den Seiten. Die zwei Geländewagen waren hoch mit Ausrüstung beladen. Petersen begrüßte sie mit einem kräftigen Händedruck und deutete auf den zweiten Landrover.
»Der zweite Wagen ist schon voll. Steigen Sie lieber bei uns ein.« Er nahm ihnen ihre Taschen ab und stopfte sie in den Wagen. Dann betrachtete er David und Amy mit einem ironischen Grinsen. »Was ist denn mit Ihnen los? Sie sehen ja aus … als hätten Sie gerade einen Geist gesehen.«
»Nein, nein, es ist nur, dass wir gern … schnell loskommen würden.«
»Wenigstens hat sich der Nebel verzogen. Wie gesagt, Sie fahren besser bei mir und Sam mit. Es sei denn, Sie wollen sich zwölf Stunden intensiv über Zoologie unterhalten. Da ist er ja. Mein Herero-Leutnant! Sammy!«
Ein junger Schwarzer drehte sich zu ihnen um und grinste sie an. Petersen deutete mit dem Daumen auf Amy und David. »Die beiden nehmen wir auch noch mit. Wir setzen sie hinter dem Ugab-Fluss ab.« Er wandte sich David zu. »Okay, es kann losgehen.«
David und Amy stiegen sofort in den Landrover. Sie hielten sich an den Händen. Die Sekunden schleppten sich dahin. Die Autos rührten sich nicht vom Fleck.
»Jetzt macht doch endlich«, murmelte Amy ganz leise zu sich selbst. »Was ist denn? Können wir nicht einfach losfahren?«
Sie warteten. Und schwitzten. Und versuchten, sich im Dunkel des Wageninnern so unsichtbar wie möglich zu machen. Sechs Minuten verstrichen, dann sechseinhalb Minuten, dann sechsdreiviertel Minuten, bis Petersen endlich einstieg, die Tür zuwarf und laut pfiff. Die kleine Expedition setzte sich in Bewegung. Endlich. Sie fuhren los, ließen das Stadtzentrum hinter sich, rollten gemächlich durch die Swakopmunder Vororte, passierten einige rot und blau gestrichene Bungalows, ein Slum-Viertel, den letzten staubigen Supermarkt, eine stillgelegte Bahnstrecke - und dann waren sie in der Wüste.
Die Stille und die endlose Weite schienen sie zu verschlingen. Langsam fiel die Anspannung von David ab. In den liebenswürdigen Straßen Swakopmunds hatten die Landrover groß und offiziell und viel zu auffällig gewirkt; jetzt waren sie zwei winzige Punkte in karger Unermesslichkeit.
Gut.
David und Amy saßen auf dem Rücksitz, Sammy und Petersen unterhielten sich vorn - auf Herero, vermutete David, jedenfalls in irgendeinem Stammesidiom. Amy hatte Petersen die GPS-Koordinaten gegeben, und jedes Mal, wenn er sie auf dem Navigationssystem überprüfte, nickte er zufrieden.
Auf der Kiesstraße herrschte so gut wie kein Verkehr. Nur ab und zu kam ihnen im schräg einfallenden Morgenlicht ein rostiger Lkw oder ein großer neuer Geländewagen entgegen; die langen Staubfahnen, die sie hinter sich herzogen, waren wie ockerfarbene Rauchzeichen am wolkenlos blauen Himmel. Auf den Ladeflächen von ein paar Pick-ups lagen rauchende oder schlafende schwarze Arbeiter in grauen Overalls. In den blitzenden SUVs saß in der Regel ein einziger Weißer, der im Vorbeifahren zum Gruß träge den Finger vom Lenkrad hob.
David fragte sich, ob es wirklich Enoka gewesen war, den Raymond gesehen hatte. Vielleicht handelte es sich ja um eine Verwechslung, ein harmloses Versehen? Aber das Tattoo war unverwechselbar. Nein, er musste Enoka gesehen haben.
Im Auto war es heiß; David schwitzte. Er rieb sich die Stirn. Versuchte, aus dem Ganzen klug zu werden. Möglicherweise war es für Miguel und die Bruderschaft gar nicht so schwer gewesen, herauszufinden, wohin Eloise geflohen war. Sie hatten auf jeden Fall von ihrer Beziehung zu GenoMap gewusst, und Fazackerly war in London nur aus dem einen Grund umgebracht worden, weil er etwas mit GenoMap zu tun gehabt hatte. Sie wussten alles über GenoMap und hatten dem Projekt mit brutaler Gewalt den Garaus gemacht; und genauso brachten sie jeden um, der etwas mit Gurs und den Cagots zu tun hatte. Und das alles im Auftrag der Kirche?
Jedenfalls wussten sie bestimmt über den Zusammenhang mit Namibia Bescheid - über die Verbindung zu Eugen Fischer und Kellerman Namcorp. Man brauchte nur ein paar simple Fakten zu addieren, um zu einem ebenso simplen wie unstrittigen Ergebnis zu kommen: Nairn und Eloise waren in Namibia.
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