Cagot
ein, die Mönche masturbieren zu hören.« Der junge Deutsche lachte leise. »Da fragt man sich natürlich schon, warum das Kloster so konzipiert wurde. Etwa als Strafe für die Seelen?«
»Ja … oder um einen davon abzuhalten, etwas Sündhaftes zu tun … eine Sicherheitsmaßnahme gewissermaßen. Damit einen jeder hören kann…«
Julius hatte zu lachen aufgehört. Simon versuchte, die Unterhaltung nicht einschlafen zu lassen. Er nahm einen letzten Anlauf.
»Wenn mich nicht alles täuscht, Julius, mögen Sie Le Corbusier nicht besonders.«
»Nein, überhaupt nicht. Und das Kloster hier bestärkt mich in meiner Abneigung.«
»Warum?«
»Weil Le Corbusier ein Heuchler war!«
»Wie bitte?«
»Wissen Sie, was Le Corbusier gesagt hat?« Denks Miene war nachdenklich, fast verächtlich. »Wissen Sie nicht mehr?«
»Nein.«
»Er hat gesagt: Form folgt Funktion. Richtig? Aber hat er das auch beherzigt? Ich finde nicht.«
»Na gut, aber …«
»Und ich habe hier sogar etwas, womit ich es beweisen kann. Hier, sehen Sie!«
Julius Denk griff in seine Umhängetasche und nahm ein großes Blatt Papier heraus.
Es schien eine … Blaupause zu sein.
Der junge Deutsche gestikulierte aufgeregt. »Das ist ein gutes Beispiel. Ich habe es extra mitgenommen. Ein Plan des gesamten Klosters, aus dem Schweizer Corbusier-Museum.«
Ein Plan. Eine Blaupause.
Das war interessant. Das war sogar hochinteressant. Ein Plan des ganzen Klosters. Simon bekam große Augen, versuchte aber, sich sein Interesse nicht anmerken zu lassen.
»Und …?«
»Hier.« Der Deutsche zeigte auf den Plan. »Sehen Sie? Wenn alles so funktional ist, was soll dann das hier?«
»Das hier« war ein wirres Durcheinander aus gestrichelten Linien und schwach nachgezogenen Winkeln, die mit Zahlen und griechischen Buchstaben gekennzeichnet waren. Simon begriff nicht, was Julius meinte. Er hatte sechs Stunden lang so getan, als wäre er Architekt. Er konnte die auf tönernen Füßen stehende Illusion nicht länger aufrechthalten.
»Sieht doch ganz okay aus.«
»Sehen Sie es nicht?«
»Jetzt sagen Sie schon.«
Julius Denk lächelte triumphierend.
»Ich habe den Plan des Klosters gründlich studiert. Aber dieser Teil ergibt keinen Sinn.«
»Die…?«
»Die Pyramide. Die Pyramide hat keine erkennbare Funktion. Sie hockt einfach nur dick und fett da, genau in der Mitte, ohne jeden Sinn und Zweck. Ich habe extra nachgesehen, es gibt keine Heizungsrohre, keine Lüftungsschächte, nichts. Also auch keine Haustechnik. Niemand kann es sich erklären. Das legt für mich den Schluss nahe, dass die Pyramide rein dekorativen Zwecken dient. Verstehen Sie jetzt?«
Simon zögerte. Seine Kehle hatte sich zusammengeschnürt.
»Ja, jetzt sehe ich, was Sie meinen.«
»Und das bedeutet, dass er ein Heuchler war! Der große Le Corb war ein Schwindler. Diese Pyramide dient rein dekorativen Zwecken. Nichts als Zierrat. Der Mann war ein Scharlatan! Form folgt Funktion? Von wegen - alles nur Gequatsche!«
Simon griff nach dem Plan und sah ihn sich genauer an. Die Pyramide erhob sich aus dem Kellergeschoss. Falls sie überhaupt zugänglich war, musste sich der Zugang im untersten Geschoss des Klosters befinden. Die dunkle, geheimnisvolle Unterkapelle.
Wenn es in La Tourette ein geheimes Archiv gab, musste es dort sein, an der einzigen Stelle, an der er nicht nachgesehen hatte.
In der Pyramide.
33
»Widerlich, nicht?«
David drehte sich um. An den Nebentisch hatte sich ein großer blonder Mann in einem Rugby-Shirt gesetzt; er starrte verächtlich auf die gröhlenden Deutschen. Sein Akzent hörte sich südafrikanisch an. David wusste nicht recht, was er darauf erwidern sollte, und zuckte mit den Achseln.
»Sorry.« Der Mann rülpste. »Aber ich habe Ihr Gespräch mit dem Kellner gerade mitbekommen. Er hat recht. Diese Scheißkerle feiern tatsächlich Hitler.«
Er strich sich mit den Fingern durch das dichte blonde Haar; er war Mitte dreißig, groß, kernig, mit einer tiefen Bräune.
»Und ich bin Deutscher! Zumindest der Abstammung nach.« Er streckte seine kräftige Rechte aus. »Hans. Hans Petersen. Hierher komme ich eigentlich nur wegen des Tafel. Das beste Bier in ganz Swakop.« Er lächelte wieder. »Meine Leute sind aus Otasha. Wir haben dort eine Rinderfarm.«
David nannte dem Mann seinen Namen und stellte ihm dann Amy vor.
»Und …« David deutete mit dem Kopf auf die feiernden Nazis. »Warum … machen die das? Einfach nur zum Spaß?«
»Einige schon,
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