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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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kein Wasser, ein ganzes Volk ohne Nahrung und Wasser. Sie hielten nicht lange durch. Als einige Frauen und Kinder zurückzukehren versuchten, wurden sie kurzerhand erschossen.«
    Er riss das Steuer herum, um einer Schar kleiner Vögel auszuweichen.
    »Und es gibt Augenzeugenberichte von diesem Völkermord. Es muss grauenerregend gewesen sein. Tausende von Menschen, die einfach in der Wüste lagen und verdursteten. Kinder, die inmitten der Leichen ihrer Eltern wahnsinnig wurden; das Summen der Fliegen muss ohrenbetäubend gewesen sein; vollkommen entkräftete Menschen wurden bei lebendigem Leib von Leoparden und Schakalen gefressen.«
    »Und wie viel Menschen sind so ums Leben gekommen?«, fragte Amy.
    Petersen zuckte mit den Achseln. »Zuverlässige Angaben gibt es zwar nicht, aber die meisten Historiker schätzen die Zahl der ermordeten Herero auf sechzigtausend. Das sind siebzig bis achtzig Prozent der gesamten Herero-Bevölkerung.« Er lachte, bitter. »O ja, die Zahlen, wir geben viel auf unsere Zahlen, nicht? Irgendwie machen sie uns Weißen alles leichter erträglich. Es geht eben nichts über einen schönen, sauberen Prozentsatz. Fünfundsiebzig Komma sechs zwei Prozent!« Er deutete mit einer wütenden Handbewegung auf die Wüste hinaus. »Dieses Gemetzel wirkt sich bis auf den heutigen Tag auf Namibias Demographie aus. Deshalb ist das Land jetzt noch dünner besiedelt, als es ohnehin schon war.«
    David war sprachlos. Diese entsetzliche Geschichte, die bedrückende Verlassenheit der Landschaft, die ungeheure Hitze und diese unbarmherzige Sonne. In diesem Land hatte einfach alles andere Dimensionen.
    »Wir kommen jetzt nach Uis.«
    Wie sich herausstellte, war die Stadt Uis, die auf der Landkarte keineswegs so klein erschienen war, nicht mehr als ein Dorf. Es gab drei Tankstellen und zwei vergitterte Getränkemärkte. Ein grauer Betonbau, anscheinend ein Restaurant, lockte mit Snoek, Fleischpasteten und griechischem Salat. Ansonsten bestand Uis vor allem aus armseligen Wellblechhütten, unter die sich ein paar Bungalows und vereinzelte größere Häuser mit hohen Zäunen gemischt hatten.
    Die Tankstellen waren von Gruppen herumhockender Männer bevölkert, die in das sonnenversengte Nichts - und auf die Landrover - starrten. Nur einige wenige unbefestigte Straßen wagten sich in die halbherzige Savanne hinaus, die den Ort umgab. Menschen und Häuser warfen messerscharfe Schatten in den allgegenwärtigen Staub. Schwarz, schwarz, schwarz, dann grelles Weiß.
    Petersen hielt an einer der Tankstellen; der andere Landrover folgte ihm. David und Amy stiegen aus, um sich die Beine zu vertreten und die Glieder zu strecken, aber die Hitze war unerträglich - sie suchten sofort Schutz vor der Sonne. Petersen, der den Tankwart bezahlte, sah sie verständnislos an.
    »Haben Sie denn keine Hüte?«
    Beide schüttelten den Kopf.
    »Jetzt hören Sie aber auf! In Namibia gelten drei Grundregeln. Trag immer einen Hut. Nutze jede Gelegenheit zum Tanken. Und trink nie mit einem Baster Whisky.« Er lachte. »Aber zum Glück ist es nicht mehr weit - falls Ihre Koordinaten stimmen. Zwei Stunden vielleicht noch.«
    Sie fuhren wieder los, tiefer in den jetzt dichter bewachsenen Busch hinein. Eine derart wilde Landschaft hatte David noch nie gesehen. Dagegen wirkten selbst die Pyrenäen wie der St. James’s Park. Er war froh, dass sie in dieser Wildnis untertauchten. Hier wäre es wesentlich schwieriger, ihnen zu folgen. Falls ihnen jemand folgte. Folgte ihnen jemand?
    »In diesem Teil von Damaraland«, erklärte ihnen Petersen, »kommen mehrere unterirdische Flüsse an die Oberfläche. Von ihrem Wasser ist hier alles Leben abhängig. Und da müssen wir jetzt durch.«
    Der Kontrast hätte nicht größer sein können. An staubtrockene, glühend heiße Wüste grenzte übergangslos ein von zahlreichen Flüssen und Wasserläufen durchzogenes grünes Paradies. Die Stille der Wüste wich dem lauten Krächzen von Wasservögeln, untermalt vom Quaken der Frösche und Kröten. Und die zwei Geländewagen holperten, bis zum Radlauf im schlammigen Wasser, durch diese Oase. Es war, als wühlten sie sich in den Garten Eden.
    Schilf scharrte über den Unterboden, Enten flohen vor den spritzenden Reifen; mehr als einmal drohten sie in dem zähen schwarzen Schlamm stecken zu bleiben. Doch gerade wenn sie sich darauf gefasst machten, sich mit der Winde aus dem Morast ziehen zu müssen, vollführte Petersen mit Lenkrad und Schaltknüppel ein gekonntes

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