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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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vorher gefoltert wurden, kann nur er begangen haben. Diese zwei bedauernswerten alten Damen, die auch noch reich waren, wie sich herausgestellt hat.«
    Allmählich begann es David zu dämmern.
    »Ach so … als er in dieser Bar aufgetaucht ist, als wir uns kennengelernt haben, kam er da gerade aus dem Ausland zurück … Amy…?«
    Sie nickte. »Als Miguel zurück in Spanien war, änderte sich die Methode, mit der die Morde begangen wurden. Der Mann in Windsor - er wurde einfach umgebracht. Nicht gefoltert. Und Fazackerly, der Wissenschaftler, auch er wurde … bloß umgebracht. Brutal zwar, aber nicht im engeren Sinn gefoltert. Würde ich jedenfalls sagen. Doch der grausame Mord an Eloises Großmutter … der zeigt wieder Miguels Handschrift. Aber warum?« Aus Amys blauen Augen sprachen Fragen über Fragen, als sie Angus Nairn ansah. »Warum hat er gemordet und gefoltert - wo andere nur gemordet hätten?«
    Nairn schob sich ein Stück Brot in den Mund und kaute es genüsslich. »Überlegen Sie doch. Ein Grund dürfte doch wohl auf der Hand liegen.«
    »Ja?«
    »Natürlich!« Ein breites Grinsen. »Warum ist er so unglaublich brutal zu den Cagots? Speziell zu ihnen?«
    In Davids Kopf blühte die Wahrheit auf.
    »Weil er weiß, dass er … selbst einer ist?«
    »Natürlich! Er hasst sich. Abgrundtief. Wegen seiner Herkunft! Wie dieser baskische Hexenjäger.«
    »De Lancre?«
    »Sicher. Das muss der Grund dafür sein! Er kann einfach nicht akzeptieren, dass er selbst ein Ausgestoßener ist. Das verkraftet er nicht. Sublimierter Selbsthass entlädt sich früher oder später in nach außen gerichteter Gewalt. Daran muss es liegen. Freud hat dieses Phänomen in aller Ausführlichkeit beschrieben. Miguel Garovillo ist ein Cagot! Und er reagiert sein ungeheures Aggressionspotenzial an den verhassten Cagots ab, in denen er seinen Selbstekel, seine Unzulänglichkeit verkörpert sieht. Er unterzieht sie denselben Foltermethoden, die die Außenseiter der Gesellschaft, die Hexen und die Unberührbaren, im Mittelalter erleiden mussten. Die Parias des Waldes, die er nicht als seinesgleichen akzeptieren kann.«
    »Aber …«
    »Und wahrscheinlich hat er als Kind diese ganzen Horrorgeschichten über die baskischen Hexenverbrennungen gehört. So etwas geht nicht spurlos an einem vorüber. Geschichten von Scheiterhaufen und Foltern! Da ist es kein Wunder, wenn jemand irgendwann total verkorkst wird. Und wenn dann noch die eigenen Eltern Terroristen sind … Wahrscheinlich hat er eine psychosexuelle Neurose in Zusammenhang mit Hexenfoltern.«
    In dem bedrückten Schweigen, das eintrat, sah David zu Amy und zuckte zusammen. Denn genau in diesem Moment hatte sich Amy - ganz kurz nur und ohne sich dessen selbst bewusst zu werden - flüchtig an den Kopf gefasst.
    Als ob sie die Narbe unter ihrem Haaransatz verbergen wollte. Das Hexenmal. War sie ein weiterer Beweis für Miguels Manie, seine sexuellen Macken, sein mörderisches Bedürfnis, diese Hexenfoltern anderen zuzufügen? Aber warum hatte sich Amy nicht gewehrt? Warum hatte sie sich das antun lassen? Warum?
    Er musste an das denken, was sie in Arizkun über den Spruch der Hexe gesagt hatte.
    »Es gibt uns nicht, und es gibt uns doch, ganze vierzehntausend von uns.«
    Nairn redete schon wieder weiter. Sein lebhaftes Gesicht glühte im Zwielicht der Damara-Dämmerung vor Energie.
    »Und dann ist Miguel, dieses arme Schwein von Cagot, wahrscheinlich noch mit seinen ganz speziellen verqueren Trieben geschlagen. Mit einem oder auch mehreren der für die Cagots typischen Syndrome. Zum Beispiel dieser ausgeprägte Hang zur Gewalt. Ich bin mir sicher, dass die Kirche diese missliebigen Personen rasch und ohne großes Aufheben aus dem Weg geräumt haben wollte. Doch Miguel konnte es sich offensichtlich nicht verkneifen, ein paar besonders brutale mittelalterliche Grausamkeiten einzubauen. Seine Veranlagung ließ ihm gar keine andere Wahl…«
    Eine große Motte flatterte durch den Lichtkegel einer Lampe. David machte ein verdutztes Gesicht: »Sie wussten, dass hinter all dem die … Kirche steckt?«
    »Na ja, ich habe es jedenfalls vermutet. Und es stimmt doch, oder?«
    »Eigentlich«, flocht Amy ein, »ist es die Piusbruderschaft.«
    »Ah. Dieser reizende Verein.« Nairn klatschte mit der Hand auf den Tisch. »Natürlich! Dass ich darauf nicht gleich gekommen bin. Das Ganze ist jedenfalls eindeutig das Werk irgendwelcher religiösen Fanatiker. Die viel Geld und mächtige Sympathisanten haben.

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