Cagot
war abgeschlossen. Natürlich.
Simon sah nach links und rechts und, absurderweise, auch nach oben und unten, dann klappte er die Klinge seines Schweizer Messers aus und versuchte, die Tür damit aufzustemmen. Er hörte ein Geräusch. Er drehte sich um, schwitzend. Es war niemand zu sehen. Die Hände feucht vor Anspannung, wandte er sich wieder dem Schlüsselschrank zu und drückte mit aller Kraft gegen den Griff des Taschenmessers.
Die Glastür ging auf. Hektisch nahm er den Schlüssel vom Haken und eilte auf dem verlassenen dunklen Gang davon.
Seinem Vorhaben stand nichts mehr im Weg. Auf Zehenspitzen huschte er eine unbeleuchtete Treppe hinunter, dann noch einmal eine Etage tiefer und einen langen, abschüssigen Gang entlang.
Eine scharfe Stimme ließ ihn wie angewurzelt stehen bleiben. Doch noch während er, starr vor Schreck, in das undurchdringliche Dunkel starrte, wurde ihm langsam bewusst, dass es nur dieser fürchterliche Bau war. Die Stimme kam wahrscheinlich aus einem der Stockwerke über ihm. Vielleicht der betrunkene Bibliothekar, der in seinem von Glaubenszweifeln geplagten Schlaf den Gott der Albträume verfluchte.
Der abschüssige Gang führte zu der mächtigen Bronzetür der Kapelle hinab. Sie war nicht abgeschlossen; sie schien nicht einmal ein Schloss zu haben. Schon bei der leisesten Berührung öffnete sie sich mit erstaunlicher Anmut und Leichtigkeit: perfekt austariert und vollkommen lautlos. Sie drehte sich um eine Achse in der Mitte der Türöffnung und wurde zu einem senkrechten bronzenen Strich, der mit dem silbernen Mondlicht, das durch ein schmales waagrechtes Fenster dahinter fiel, ein Kreuz bildete. Ein beeindruckender Effekt.
Simon blickte sich um; es war das erste Mal, dass er die Kapelle in einem Moment sah, in dem sie still und feierlich und menschenleer war - und er musste sich eingestehen, sie war einfach schön. Der hohe Betonraum war mit schlichten Holzbänken und einem archaischen Altar eingerichtet; im hinteren Teil filterten die Buntglasfenster das nächtliche Sternenlicht - das den majestätischen Gebetsraum mit exquisiten Farbparallelen sprenkelte.
Simon verspürte das seltsame Bedürfnis, innezuhalten. Hier. Für immer.
Doch sein Gewissen stach in seinem Herz.
Die Pyramide.
Die Kapelle erstreckte sich über die ganze Länge des Baus, und irgendwo in ihrem hinteren Teil musste es eine Tür geben, die in das geheimnisumwitterte Allerheiligste des Klosters führte.
Nach kurzer Suche hatte er sie gefunden: eine kleine Metalltür im trockenen Dunkel einer Ecke. Simon nahm den Schlüssel aus seiner Tasche und steckte ihn ins Schloss. Wieder ertönte ein Geräusch. Von irgendwoher. Ein scharfes Scharren. Das durch die kahlen Betonkorridore hallte.
Jetzt mach schon.
Die Tür ging auf. Dahinter tat sich ein schmaler Gang auf, in dem tiefe Finsternis herrschte. Ihn zu betreten war, als quetschte man sich in eine Röhre. Simon fragte sich, ob es im Kopf seines Bruders vielleicht ähnlich aussah. Die Wände, die immer weiter auf einen zurückten, die Dunkelheit, die einen von allen Seiten bedrängte, tagein, tagaus, für immer und ewig.
Der Abstand zwischen den Wänden wurde so schmal, dass er sich nur noch zur Seite gedreht zwischen ihnen hindurchdrücken konnte. Dann endete der Gang an einer weiteren rostigen Eisentür, die in der Dunkelheit kaum zu erkennen war; Simon drückte dagegen - und stolperte in eine strahlend helle Pyramide aus gleißendem Weiß.
Simon hielt schützend die Hand vor seine geblendeten Augen. Auf einem Stuhl in der Mitte des Raums saß der Bibliothekar. Bruder McMahon. Seine Zähne waren rot von Wein.
»Es gibt zwei Schlüssel zur Pyramide, Mister Quinn.«
36
Im Zwielicht der Damara-Dämmerung sah Miguel älter und wilder, geradezu barbarisch aus. Der Jentilak. Er hatte seine Pistole auf Davids Kopf gerichtet. Die Türen der Fahrzeuge mit den getönten Scheiben flogen auf, und vier, sechs, acht Männer sprangen heraus. Einer von ihnen sprach mit amerikanischem Akzent. Enoka hielt sich im Hintergrund.
»Das ist also Angus Nairn«, sagte der Amerikaner. »Und die anderen beiden sind David Martinez und Amy Myerson?«
Miguel nickte. »Richtig. Aber das Cagot-Mädchen, Eloise? Wo ist sie?«
Der Mann zuckte mit den Achseln. »Sie ist nirgendwo zu sehen.«
»Los! Sucht sie! In den Autos, im ganzen Lager. Alan! Jean Paul! Enoka!«, bellte Miguel.
Sofort verteilten sich die Männer zwischen dem Landrover und den rosafarbenen Zelten, die an
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