Cagot
aufgefressen? Irgendwann wirst du noch richtig fett!«
»Ich und fett werden? Da kannst du lange warten.« Der Schotte lüpfte sein T-Shirt und klatschte auf seinen weißen Bauch. »Der Sixpack Apollos!« Er setzte sich wieder und starrte Alphonse finster an. »Lass gefälligst diese blöden Witze, mein kleiner Bambusen, sonst muss ich dir noch ein paar mit der Sjambok überziehen.«
»Nein. Nein, Sir. Weiße Massa sehr gut. Er mir geben gute Job Baumwolle pflücken.«
Die zwei Männer lachten schallend los, dann küssten sie sich wieder. Nairn wandte sich Amy zu und bot ihr aus der großen Edelstahlschüssel ein übrig gebliebenes Kudu-Steak an. David sah Alphonse an.
Plötzlich drehte Nairn sich um.
»Hey, verdammte Scheiße. Was ist denn da los?«
Der Schotte spähte angespannt den Canyon hinunter. Inzwischen war das Geräusch deutlich zu hören. David wurde bewusst, dass er schon eine ganze Weile etwas gehört hatte - aber im Hinterkopfhatte er es für das ferne Knurren eines Tiers gehalten oder für das Rauschen des Winds in den Dornenbäumen.
Es waren Autos. Große dunkle Geländewagen kamen das ausgetrocknete Flussbett heraufgefahren, direkt auf sie zu. Begleitet von lauter werdendem Motorendröhnen und grellem Scheinwerferlicht. David saß wie gelähmt da. Die Angst war wie ein körperlicher Schmerz.
»In die Zelte … die Gewehre sind in den Zelten …«
Nairn war bereits aufgesprungen und wollte losrennen - doch im selben Moment zerfetzte ein Gewehrschuss die stille Abendluft. Zwischen den Tischen wirbelte Sand hoch. Ein Warnschuss.
Sehr langsam setzte sich Nairn wieder.
David schaute in die andere Richtung. Mehr Staubwolken. Sie kamen auf sie zu. Aus allen Richtungen. Das größte Fahrzeug, ein schwarzer Geländewagen mit getönten Fenstern, erreichte das Lager. Er hielt mit einem eleganten Schwung schleudernd an und fetzte verächtlich eine Ladung Sand über das Essen.
Die Tür ging auf, und ein großer, hagerer Mann stieg aus. Sein Gang und der Tic an seinem Auge waren selbst in der Dunkelheit unverkennbar.
Miguel starrte sie an.
»Hab ich euch gefunden.«
35
Der abendliche Kompletgesang in der Kapelle war verhallt. Die letzten Pilger hatten sich in ihre Zellen zurückgezogen.
Simon verließ das Refektorium und ging durch die verlassenen Gänge zu seinem Zimmer. Er schloss die schmale Tür hinter sich und wartete. In seinem Kopf arbeitete es fieberhaft. Die Pyramide. Er hatte Glück gehabt. Großes Glück. Möglicherweise hatte er an einem einzigen Tag gefunden, was Eduardo Martinez in einer ganzen Woche nicht gefunden hatte. Die Pyramide. Das geheime Archiv. Verborgen in der abweisenden und unheimlichen Pyramide, die sich in der Mitte der Anlage erhob. Auffällig und doch unscheinbar.
Er konnte nicht umhin, der düsteren Meisterschaft der Architektur kurze Bewunderung zu zollen. Sie hatte etwas bedrückend Geniales.
Dann legte er sich aufs Bett.
Die ersten Schnarcher und Echos hallten durch den nächtlichen Konvent. In Gedanken bei Tim, starrte Simon seufzend an die bedrückend niedrige Betondecke. Es war, als senkte sie sich auf ihn herab. Wandte er kurz den Blick ab und schaute dann wieder hin, entstand der Eindruck, als bewegte sie sich unaufhaltsam, Millimeter für Millimeter, auf ihn zu.
Bis er von ihr zermalmt würde wie eine Hexe, auf der immer schwerere Steine aufgehäuft wurden. Zu Tode gequetscht. Er glaubte, den Druck der Steine auf seiner Brust spüren zu können. Immer mehr und immer schwerere Steine. Bis der Brustkorb unter ihrer Last nachgab. Wie Tomasky, der auf ihm lag und ihm die Messerspitze ins Auge zu stoßen versuchte.
Schluss!
Er hatte etwas zu erledigen. Eine Aufgabe zu erfüllen. Er hatte noch genau einen Versuch. Dann würde er nach Hause fahren, seinen Sohn und seine Frau beschützen und seinen Bruder retten.
Er stand auf und verließ die Zelle. Auf dem Gang herrschte mitternächtliches Dunkel. Das Kloster ächzte und knarrte wie eine elisabethanische Galeone auf hoher See. Knarzen und Quietschen und eigenartige ferne Geräusche. Es war, als könnte er Hunderte Menschen im Schlaf atmen hören. Als atmete der ganze Bau. Als wäre er eine riesige Lunge aus Beton. Mit einem bösartigen Tumor in seinem Herz. Einem schwarzen Fleck auf dem Röntgenbild.
Er brauchte zwei Minuten, um zur Rezeption zu kommen. Und ja, da hing der Schlüssel, an seinem Haken; es stand sogar »Pyramide« auf dem Anhänger. Aber die Glastür, hinter der die Schlüssel hingen,
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