Cagot
im Lager zu ahnen.
Von ihnen konnte man jedenfalls keine Hilfe erwarten.
Die vier wurden von Miguels Männern gezwungen, im Sand niederzuknien. Wie Gefangene einer islamistischen Sekte, die auf ihre Enthauptung warteten. Hinter ihnen war das Holz für das große Lagerfeuer aufgeschichtet.
Der Wüstenwind fuhr kalt durch ihre Kleider, als sie im Sand knieten und warteten. Die meisten von Miguels Männern saßen rauchend in den offenen Türen ihrer Fahrzeuge; nur ein paar von ihnen waren noch dabei, den Namcorp-Landrover zu durchsuchen.
»Glaubst du, sie bringen uns um?«, fragte Amy mit gepresster Stimme.
Alles in David drängte danach, ihr zu Hilfe zu kommen, sie in die Arme zu schließen und sie zu retten. Der typische Beschützerinstinkt. Aber er kniete mit gefesselten Händen auf dem Boden. Alles, was er tun konnte, war, ihr die Angst zu nehmen. Er versuchte, Amy zu beruhigen.
»Nein. Sie brauchen uns lebend. Sonst finden sie Eloise nie. Die wären schön dumm, wenn sie uns umbrächten.«
»Das glauben Sie doch selbst nicht«, zischte Nairn bitter. »Natürlich werden sie uns umbringen. Wir sind bereits tot. Wir sind schon Bestandteil der Geologie. Sie waren dabei, als sein Vater Selbstmord begangen hat! Wahrscheinlich denkt er, Sie haben ihn dazu angestiftet. Außerdem weiß er, dass Sie sein finsteres Geheimnis kennen. Die Schande der Garovillos!« Sein Lachen sprühte vor Sarkasmus. »Um Eloises Versteck herauszubekommen, werden sie uns erst mal foltern - und dann umbringen. Hier draußen in der Wüste. Aber was soll’s, es gibt schlimmere Orte, um zu sterben. Cumbernauld zum Beispiel. Waren Sie mal in Cumbernauld?«
Amy weinte leise vor sich hin.
Nairn lachte: »Lieber sterbe ich hier, als in Cumbernauld zu leben.«
Garovillo war zurückgekommen.
»Gut. Jenika. Noski. Und jetzt…« Er sah Angus Nairn an, dann Amy, Alphonse und David. Danach wieder Nairn. »Wo ist Eloise? Wenn du es mir nicht freiwillig sagst, du schottische Schwuchtel, werde ich es dir eben mit Gewalt herausreißen. Mitten aus deinem Herz.«
»Leck mich.«
Das Gesicht des Terroristen zuckte kurz, dann deutete er mit kaum unterdrücktem Ärger auf Alphonse.
»Nehmt ihn. Den Lustknaben. Den sexuberekoi.«
Zwei von Miguels Männern packten Alphonse an den Armen und zogen ihn auf die Beine hoch. Die Knie des jungen Namibiers zitterten. Miguel sah von einem seiner Gefangenen zum anderen.
»Ich habe mich immer schon gefragt… diese Geschichten von den Hexenverbrennungen, ob da wirklich was dran ist oder ob das nur Märchen sind?«
David wurde von einem eisigen Schauder ergriffen.
»Und jetzt frage ich mich …« Miguels Lächeln bekam etwas sehr Trauriges, »wie war das damals wohl? Wenn jemand bei lebendigem Leib verbrannt wurde? Hast du dich das nie gefragt, so ein großer Wissenschaftler wie du? Herr Doktor Nairn? Aber was rede ich denn: Natürlich hast du dich mit diesem Thema schon befasst. Ez? Mit den Hexenverbrennungen?«
Miguel beugte sich zu Nairn hinab und starrte ihm aus nächster Nähe ins Gesicht.
»Wenn du uns nicht auf der Stelle sagst, wo Eloise ist, binden wir deinen schnuckeligen Lustknaben an einen Pfahl und verbrennen ihn bei lebendigem Leib. Du stehst doch auf diese hübschen Baster-Jungs, oder? Diese kaffeebraunen Mischlinge? Die Marikoi-Nigger.« Er wandte sich seinen Leuten zu. »Also, rösten wir ihn! Das ist doch mal was: eine echte Schwuchtel, frisch vom Grill.«
David schaute entsetzt zu Nairn hinüber. Der Schotte verzog keine Miene, und doch war er außer sich. Dann brach es aus ihm hervor: »Du blöder Cagot-Arsch.« Miguels Augen blitzten.
»Que?«
»Wir wissen, dass du ein Cagot bist. Ein Kackmensch. Wie dein Vater. Ein Cagot.«
Miguels Gesicht zuckte.
»So ein Quatsch. Wie kommst du denn darauf?« Er gestikulierte. »Verbrennt den Jungen. Agur.«
Sofort machten sich seine Männer daran, in der Mitte des Haufens aus trockenem Holz einen Pfahl in die Erde zu rammen. Einen massiven Holzpfahl.
Unverständliche Laute hervorstoßend, wand sich Alphonse wild unter dem Griff der stummen Männer. Er drehte fast durch vor Angst. Währenddessen wurde der Pfahl tiefer in die Erde getrieben. Der Mond schien hell. Draußen in der Wildnis flogen Nachtvögel von den Bäumen auf. Das Damara-Flussland mit seinen ausgetrockneten Schluchten und Kameldornakazien lag stumm in der Dunkelheit.
Angus Nairn brüllte: »Mach dir doch nichts vor, Miguel. Du kannst es nicht verheimlichen. Jeder Idiot weiß
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