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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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Stirn. »Das hängt mit der Ausgrenzung der Cagots und der daraus resultierenden Inzucht zusammen. Nehmt zum Beispiel die Syndaktylie, die zusammengewachsenen Zehen und Finger. Bei Bergvölkern mit begrenzten Genpools ist das eine typische Erscheinung. Und Syndaktylie tritt in Verbindung mit zahlreichen anderen Chromosomenstörungen auf. Einige davon gehen mit Psychosen einher, mit extremer Gewalttätigkeit und abartigen sexuellen Neigungen und was weiß ich noch allem - versteht ihr?«
    Amy sah kurz David an, dann wieder Angus.
    »Miguel hatte einen extrem starken Sexualtrieb«, sagte sie.
    »Übermäßige Libido, klar.« Angus lächelte wissend. »Hypersexualität, Satyriasis. Und dazu noch die Hypersomnie.«
    »Ja, er schlief nach dem Sex immer ein.«
    »Typisch Mann. Da seht ihr’s wieder.« Angus starrte abwesend aus dem Fenster. »Deshalb vermute ich, dass Miguel an einer seltenen Kombination von Kleine-Levin- und Hallervorden-Spatz-Syndrom leidet, was bei Cagots keineswegs selten vorkommt. Dieses Syndrom verschlimmert sich mit zunehmendem Alter, und eins der psychosexuellen Symptome kann Anthropophagie sein. Kannibalismus! Als ich gestern Abend gesehen habe, wie gierig er den Geruch des Feuers eingesogen hat, wurde mir klar, dass er kannibalische Gelüste hat.«
    David blickte in den Rückspiegel: Im brutalen Humor des Schotten und in seinem tapferen Lächeln schwang zutiefst berührende Traurigkeit mit.
    »Und das war der Grund, warum der Trick mit dem Euphorbiarauch so gut gewirkt hat?«, fragte Amy.
    »Richtig. Als ich sah, wie gierig er den Geruch von Alphonses brennendem … menschlichem Fleisch einatmete, wurde mir klar, dass er richtig süchtig danach war, dass er nicht genug davon kriegen konnte. Deshalb stand für mich völlig außer Zweifel, dass er das auch bei dir wieder so machen würde, David. Dass er der Verlockung dieses Dufts einfach nicht widerstehen könnte.«
    »Und was hat es nun mit dieser Euphorbia genau auf sich?«
    »Euphorbia virosa. Auch als Buschmannsgift bekannt. Der Verzehr der Blätter ist auf der Stelle tödlich. Auch der Rauch kann tödliche Wirkung haben, wenn man ihm längere Zeit ausgesetzt ist, und man wird sehr schnell bewusstlos davon. Ich habe darauf spekuliert, dass Miguel wegen des Dufts des gebratenen Fleischs ganz nah ans Feuer kommen würde und so auch den giftigen Rauch einatmen würde.«
    David bekam ein flaues Gefühl im Magen.
    »Angus, das heißt ja … wenn Miguel nicht so nah ans Feuer gekommen wäre und … den Rauch eingeatmet hätte … dann hätte der Euphorbiarauch mich getötet?«
    »Natürlich. Aber ich dachte, du würdest vielleicht lieber schnell durch das Gift sterben, als langsam zu Tode schmoren.«
    Darauf wurde es im Auto erst einmal still. Der holprige Weg ging in eine richtige Straße über. Schwarz und asphaltiert und mörderisch gerade: wie eine lange, dünne Gauge-Nadel, die genau nach Süden zeigte. Die Sonne stand im Zenit; am fernen, verlassenen Horizont zeichneten sich die Silhouetten rennender Strauße ab. David musste an seinen sterbenskranken Großvater im Hospiz in der Wüste denken: desolada, desolada, desolada.
    Die Trauer und die Scham seines Großvaters; das schreckliche Schicksal seiner Eltern.
    Amy fragte: »Wohin fahren wir eigentlich?«
    »Nach Rehoboth. In die Stadt der Baster.«
    »Wie bitte?«
    David schaute in den Rückspiegel. Angus hatte immer noch dieses eigenartige freche Grinsen im Gesicht.
    »Ich will, nur ganz kurz, bei Alphonses Mutter vorbeischauen. Ihr erzählen, was passiert ist. Alphonse war ein Baster. Ein Bastard. Ein Mischling. Seine Mutter lebt in Rehoboth, und wir dürfen keine Zeit verlieren, denn Miguel ist noch am Leben, und er wird bestimmt eine Möglichkeit finden, mit seinen Männern aus der Wüste rauszukommen. Sie werden ganz sicher versuchen, ins Sperrgebiet zu gelangen und Eloise in ihre Gewalt zu bringen …«
    »Warum hat er dir nicht geglaubt, als du ihm gesagt hast, dass Eloise im Sperrgebiet ist?«, unterbrach ihn Amy. »Warum hat er einfach … weitergemacht? Er wusste doch, was er wissen wollte.«
    Angus’ Antwort war fast unwirsch.
    »Begreifst du denn immer noch nicht? Dieser Mann ist in erster Linie von seinen schrecklichen Trieben gesteuert. Wahrscheinlich hatte er sie bis vor kurzem noch einigermaßen unter Kontrolle, aber je schlimmer das Syndrom bei ihm durchschlägt, desto stärker kommen seine elementarsten und brutalsten Triebe an die Oberfläche …«
    »Er hat der

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