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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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sich Simon zu. »Sie hatten recht. Die alte Frau trug die Handschuhe offenbar, um eine Deformierung zu verbergen; das hat mir die Rechtsmedizin bestätigt.« Er wandte den Blick ab und starrte auf das ferne Meer hinaus. »Man nennt das digitale Syndaktylie. Das Primrose-Hill-Opfer hatte zwei … zusammengewachsene Finger.«
    Die Seevögel kreischten vom Fuß der Klippen herauf.

8
     
    Sie nahmen die Straße am Bidasoa entlang und folgten dem sich hinabstürzenden Fluss durch ein dunstiges grünes Tal, bevor sie rechts abbogen und zu einem anderen baskisch-navarresischen Dorf in die Berge hinauffuhren, vorbei an dem obligatorischen Steinbrunnen und an einem verlassenen grauen Frontön. Mit banger Erwartung fragte sich David, was Jose Garovillo wusste? Was hätte er ihm zu erzählen? Das Dorf hieß Etxalar.
    Um die Aussprache zu üben, sagte David das Wort Etxalar mehrere Male laut vor sich hin; Amy lächelte - sehr verständnisvoll.
    »Nein. Man spricht das x nicht wie ein x, sondern tchchhh.«
    »Etch…alarrr?«
    »Schon viel besser.«
    Sie mussten hinter einem Viehtransporter, der die Straße blockierte, anhalten. Amy schien mit ihren Gedanken woanders. Wie aus heiterem Himmel fragte sie ihn nach seinem Leben in London und in Amerika, nach seinem Job. Er erzählte ihr Verschiedenes über sich.
    Unvermittelt erkundigte sich Amy nach seinem Liebesleben.
    David zögerte - doch dann gestand er, dass er Single war. Amy wollte wissen, warum.
    Die Kuh auf dem Lkw glotzte sie vorwurfsvoll an. »Wahrscheinlich stoße ich jeden zurück, der mir zu nahe kommt. Möglicherweise liegt das daran, dass ich meine Eltern verloren habe. Jedenfalls lasse ich niemanden richtig an mich ran.«
    Schweigen. Dann fragte David: »Und du? Hast du eine Beziehung?«
    Schweigen. Der Viehtransporter fuhr los, und sie zuckelten hinter ihm her, an kleinen Obstgärten mit Pfirsichbäumen vorbei.
    Nach einer Weile antwortete Amy: »David, da ist etwas, was du wissen solltest. Ich habe dir nicht die Wahrheit gesagt. Zumindest …«
    »Ja?«
    »… nicht die ganze Wahrheit.«
    Das Blaugrün der Berge umrahmte ihr Profil. Ihr innerer Widerstreit spiegelte sich in ihrem Gesicht wider.
    »Wenn du nicht willst, brauchst du nicht darüber zu reden«, sagte David.
    »Nein, nein, ich bin dir eine Erklärung schuldig. Außerdem werden wir gleich Jose besuchen, Miguels Vater.«
    Amy wandte sich David zu und sah ihn an; die Anspannung in ihrer Miene war unübersehbar, aber es war auch Entschlossenheit darin.
    »Ich war mit ihm zusammen. Miguel war mein Freund. Aber das ist schon ein paar Jahre her.«
    »Echt?«
    »Ich war dreiundzwanzig. Gerade im Baskenland angekommen. Ich war allein. Jung und naiv. Ich habe es dir bisher nicht gesagt… weil ich … weil ich mich deswegen schäme.«
    David nahm gerade eine enge Kurve und wandte den Blick nicht von der Straße ab; Bäume und Hecken erzitterten im Luftzug des vorbeifahrenden Autos. Er musste ihr die Frage einfach stellen. »Du wusstest, dass er bei der ETA war? Und trotzdem hast du …?«
    »Mit ihm geschlafen?« Sie seufzte. »Ja, ich weiß. Muy stupido, ziemlich blöd. Aber wie gesagt, ich war jung, und … junge Mädchen stehen nun mal auf Machotypen. Dieses Abgründige. Dieser ganze Heathcliff-Scheiß, der Reiz älterer, reifer Männer. Sogar dieser Hang zur Gewalt hatte etwas Anziehendes.« Sie schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich hat das Ganze auf mich als junges Mädchen eine unglaubliche Faszination ausgeübt. Dieses Geheimnisvolle, Undurchsichtige, das er hatte. Außerdem ist er intelligent und sieht gut aus, und berühmt ist er auch, nicht zuletzt wegen seiner aufsehenerregenden Aktionen und seiner Kaltblütigkeit.« Sie rang sich ein verhaltenes Lächeln ab. »Er sieht übrigens ein bisschen aus wie du. Nur älter und ein wenig schmaler.«
    »Und mit dem Unterschied, dass ich niemanden verstümmle und foltere und umbringe und … keine Frauen schlage.«
    »Natürlich. Natürlich. Nach zwei Monaten habe ich es selbst gemerkt: dieser ausgeprägte Hang zur Gewalt. Und …« Sie zuckte verlegen mit den Achseln, bevor sie hinzufügte: »Und er hat eindeutig krankhafte Züge. Er ist richtig pervers. Im Bett. Nach zwei Monaten habe ich mich von ihm getrennt.«
    David wusste nicht, was er sagen sollte; ihre Ehrlichkeit hatte etwas Entwaffnendes.
    Er versuchte es mit einer anderen Frage.
    »Hast du noch Kontakt zu ihm?«
    »Nein. Jedenfalls nicht, wenn es sich vermeiden lässt. Aber manchmal lässt es sich

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