Cagot
erfahren hatte. War das schon alles? Sein Großvater war Baske gewesen, hatte es aber nie zugegeben?
Dann fiel David die Landkarte ein, und die Kirchen. Und seine Erbschaft. Was hatte es damit auf sich?
»Eigentlich nicht, Jose. Da wären noch ein paar Unklarheiten.«
»Tatsächlich?«
Amy unterbrach die beiden Männer: »Jose … die Zeitungsmeldungen. Die Erbschaft … die Landkarte. Hast du das nicht gelesen?«
»Ich lese nie Zeitung!« Joses Lächeln geriet ins Wanken. »Aber was sollen das für andere Unklarheiten sein? Erzählen Sie! Was wollen Sie wissen?«
David warf einen fragenden Blick in Amys Richtung. Sie zuckte mit den Achseln, als wollte sie sagen, nur zu, mach nur, deshalb sind wir schließlich hier.
Also begann David zu erzählen: die Geschichte von seinem Großvater und den Kirchen und der Erbschaft. Gleichzeitig fasste er in seine Tasche und zog die alte Karte mit den blauen Sternchen heraus.
Die Stimmung im Haus schlug abrupt um.
Fermina stand, in konsterniertes Schweigen gehüllt, an der Küchentür. Der alte Mann blickte stirnrunzelnd auf die Landkarte. Es hatte fast etwas Mitleiderregendes, so sorgenvoll war seine Miene. Es schien, als wäre er plötzlich von tiefer Trauer überwältigt worden.
Bestürzt über die Wirkung seiner Worte, ließ David die Karte auf den Tisch fallen. Das Licht im Zimmer schien plötzlich schwächer geworden zu sein; fast war es, als käme alle Helligkeit nur noch von den vergilbten Seiten der Landkarte.
Jose beugte sich über sie und nahm sie behutsam in die Hände, um das brüchige Papier ein paar Minuten zu streicheln - wortlos. Schließlich faltete er die Karte auseinander und betrachtete leise vor sich hin murmelnd die blauen Sternchen. Niemand rührte sich.
Dann schaute er zu David auf.
»Schlagen Sie sich das alles aus dem Kopf. Bitte, ich flehe Sie an. Lassen Sie die Finger davon. Diese Kirchen brauchen Sie nicht zu interessieren. Behalten Sie das Geld und vernichten Sie diese Karte. Gehen Sie nach London zurück. Porfavor.«
David machte den Mund auf. Aber er brachte kein Wort heraus.
»Ich will diese Karte nicht im Haus haben.« Jose hielt sie David schroff hin. »Schaffen Sie dieses Ding aus meinem Haus. Ich weiß, Sie können nichts dafür. Aber … schaffen Sie sie weg. Bringen Sie diese Dinge nie wieder zur Sprache. Nie wieder. Diese … diese Karte … die Kirchen … sie sind der Schlüssel zur Hölle. Ich flehe euch beide an: Lasst die Finger davon.«
David wusste nicht, was er tun sollte. Joses Frau wischte sich an einem Tuch die Hände ab; sie stand immer noch an der Küchentür, war furchtbar nervös und wischte die Hände ab. Immer wieder.
Ein Geräusch spitzte die gespannte Atmosphäre weiter zu. Jose Garovillo schaute auf; das Knirschen von Kies war unverkennbar. Vor dem Haus hielt ein rotes Auto. Amy schlug die Hand vor den Mund. »O nein …«
Jose schnappte nach Luft.
»Das darf doch nicht wahr sein! Ich habe ihm gesagt, dass er auf keinen Fall herkommen soll. Es tut mir leid. Ich habe ihm erzählt, dass ihr kommt, aber ich habe ihm gesagt, er soll wegbleiben. Barkatu. Barkatu. Fermina!«
Der auffallend große Mann, der aus dem Auto stieg, war unverwechselbar: Miguel Garovillo. Im nächsten Moment flog auch schon die Tür auf, und er war im Haus, groß und wild und finstere Blicke werfend. Er nahm die Landkarte in Davids Hand wahr. Das leichte Zucken seines Augenlids war ebenso deutlich zu erkennen wie die dünne Narbe über seiner Oberlippe.
»Papa!«, knurrte Miguel voller Verachtung.
Der Sohn hatte die Hand erhoben, und einen beängstigenden Augenblick lang sah es tatsächlich so aus, als würde er Jose schlagen, seinen eigenen Vater. Jose zuckte zusammen. Fermina stieß einen erschrockenen Schrei aus. Miguels schwarze Augen blitzten durch das Zimmer. David bemerkte die Konturen eines Hülsters unter der Lederjacke des Terroristen.
Fermina Garovillo stieß ihren Sohn zurück, aber Miguel brüllte auf seinen Vater ein, und auf Amy und David. Weil er es auf Baskisch tat, verstand David nicht, was er schrie - unmissverständlich war nur die wilde Wut. Jose versuchte, dagegenzuhalten - aber zaghaft und ohne Überzeugungskraft.
Dann wandte sich Miguel David zu und begann, auf Englisch loszulegen. Seine tiefe Stimme bebte vor Wut.
»Hau bloß ab hier! Du willst die Hure? Dann nimm sie doch. Und schaff schleunigst diese ganze Scheiße hier raus. Auf der Stelle.«
David wich zurück. »Wir gehen ja schon … wir gehen ja
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