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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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bekannt vor.«
    »Wie meinst du das?«
    »Es ist die Handschrift meines Vaters. Das muss seine Karte gewesen sein. Und darauf hat er … diesen Ort eingezeichnet.« Er deutete auf einen der Orte, die im französischen Teil der Straßenkarte markiert waren; Amy erhob sich halb von ihrem Stuhl und blickte auf sie hinab.
    »Navar…renx«, murmelte sie. »Das ist nicht weit von hier …
    und es ist mit einem Sternchen markiert. Es gehört also zu den Orten mit einer Kirche. Na schön …«
    »Aber gleich daneben, hier …« Sein Finger bewegte sich ein Stück nach rechts und deutete auf einen kleineren Ort, direkt neben Navarrenx.
    Amy sah auf die Karte.
    »Gurs? Direkt daneben.«
    Er nickte. Sein Mund war trocken.
    »Ja, Gurs.«
    »Das heißt…?«
    »Ich habe den Namen schon mal gehört. Ich erinnere mich, wie ihn Misses Anderson vor langer, langer Zeit irgendwie ganz eigenartig geflüstert hat. Du weißt schon, wie es Erwachsene machen, wenn sie nicht wollen, dass Kinder mitbekommen, worüber sie sprechen.«
    »Gurs ist also der Ort…«
    »Wo meine Eltern wahrscheinlich den Unfall hatten. Diese Landkarte muss sich im Besitz meines Vaters befunden haben, als es passiert ist. Als meine Mutter und mein Vater durch Frankreich reisten … sind sie dieser Karte gefolgt.«

13
     
    Simon saß in seinem Arbeitszimmer, von dem man auf den kleinen Vorgarten ihres Häuschens in einem Nordlondoner Vorort hinausblickte, und versuchte, zu arbeiten. Aber ständig kam sein vierjähriger Sohn Conor hereingeplatzt: um seinem Dad eine Spinne zu zeigen, ihn zu fragen, was Schafe fressen, und darauf zu bestehen, dass alle Welt seine Thomas, die phantastische Lokomotive-DVD mit ihm ansehen müsste.
    Dem Vater fiel es schwer, dem Sohn seine Forderungen abzuschlagen. Er wusste, er war ein nachsichtiger Vater, vielleicht, weil er erst spät Vater geworden war, mit sechsunddreißig. Aber er war auch nachsichtig, weil er seinen Sohn über alles liebte: die treuherzigen blauen Augen des kleinen Kerls oder die Art, mit der er mit einem Stock einen widerspenstigen Fußball zurechtwies. Conor war eine Naturgewalt. Und er konnte seine Eltern über so ziemlich alles zum Lachen bringen.
    Aber Simon musste dringend arbeiten. Seine ersten zwei Telegraph-Artikel über die bizarren Morde hatten für einiges Aufsehen gesorgt, und sein Redakteur wollte mehr darüber bringen. Viel mehr. Folglich hatte er schon die ganze Woche lang und auch an diesem Tag wieder intensiv recherchiert.
    Nachdem er Conor mit einem Bio-Himbeerdrink aus dem Küchenschrank besänftigt hatte, kehrte er ins Arbeitszimmer zurück, machte die Tür fest hinter sich zu und überließ es dem Au-pair-Mädchen, das sie sich kaum leisten konnten, sich mit Thomas, der phantastischen Lokomotive, herumzuschlagen. Als er wieder an seinem Computer saß, schaute er kurz aus dem Fenster auf die endlose Vorstadt hinaus, auf eine dicke Hausfrau, die ihre Wäsche aufhängte.
    Dann begann er zu googeln.
    Syndaktylie.
    Das Problem war, dass es nicht viel zu diesem Thema gab. Eine halbstündige Suche erbrachte nicht mehr, als ihm seine Arztehefrau bereits erklärt hatte. Die Deformation war relativ verbreitet und ging mit verschiedenen genetischen Syndromen einher: Ensembles von Erkrankungen und Leiden, die wiederum mit bestimmten Chromosomenabnormalitäten zusammenhingen. Die Syndrome hatten recht vollmundige Namen: Aarskog-Syndrom, Smith-Lemli-Opitz-Syndrom, Corneliade-Lange-Syndrom.
    Simon sah blinzelnd auf den Monitor. Er las die Namen zweimal. Dann griff er nach einem Stift und schrieb sie auf einen Block.
    Ihm fiel auf, dass viele der Namen französisch waren: Bardet-Biedl-Syndrom. Apert-Syndrom. Französisch?
    Zwanzig Minuten weiterer ermutigender Internetrecherchen klärten ihn über die Gründe dafür auf. Viele der Syndrome waren eine Folge von Inzucht: »Verbindungen unter Blutsverwandten« nannte es eine Internetseite vornehm. Und diese Inzucht war in abgelegenen Gebirgsdörfern weitverbreitet.
    Zum Beispiel in den Alpen und den Pyrenäen.
    Aus diesem Grund waren viele dieser Störungen von französischen Ärzten entdeckt worden - die sie großspurig nach sich benannt hatten. In den Gebirgsregionen Frankreichs waren diese Störungen gang und gäbe.
    Simon starrte auf die flimmernden Wörter auf dem Bildschirm. Die Pyrenäen. Südfrankreich. Die baskischen Pyrenäen. Er griff wieder nach seinem Stift und schrieb - wozu eigentlich? - das Wort »Pyrenäen« auf seinen Block. Dann starrte er

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