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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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Foltern waren die Morde selbst mit kaltblütiger Effizienz ausgeführt worden. Der oder die Foula-Mörder mussten bestens ausgerüstet gewesen sein, und niemand hatte sie auf die Insel kommen oder von dort abfahren sehen. Vermutlich waren sie im Schutz der Dunkelheit an Land gegangen, hatten sofort Julie Charpentiers Haus aufgesucht und die alte Frau gefoltert und umgebracht. Dann hatten sie sich noch vor Sonnenaufgang vom Tatort entfernt und die Insel wieder verlassen.
    Der Primrose-Hill-Fall zeugte von ähnlicher Professionalität. Auch hier war das Opfer zunächst brutalst gefoltert und anschließend garottiert worden. Das Opfer in Windsor war nicht gefoltert, aber mit der gleichen kaltblütigen Effizienz getötet worden. Schon allein deshalb konnten die drei Morde nicht von irgendwelchen Lösungsmittel schnüffelnden Gruftis verübt worden sein. Hinter diesen Taten steckte jemand, der sein Vorgehen sorgfältig plante.
    Und dann gab es noch einen dritten Aspekt, der die Sache zusätzlich verkomplizierte. Ein höchst interessanter Aspekt. Eine der Frauen war kurz vor ihrer Ermordung von einem gewissen Angus Nairn kontaktiert worden, der ihr Blut hatte untersuchen wollen.
    Und dieser junge Genforscher war vor kurzem spurlos verschwunden. Das war das aufschlussreichste Ergebnis der Recherchen gewesen, die Simon zu Beginn der Woche angestellt hatte. Nach seiner Rückkehr aus Schottland hatte er als Erstes »Angus Nairn« gegoogelt und festgestellt, dass auch die Person des jungen Wissenschaftlers höchst geheimnisumwittert war. Nairn war acht Wochen zuvor spurlos verschwunden.
    Der Genforscher hatte bei dem privaten Londoner Forschungsinstitut GenoMap gearbeitet, das sich der Erforschung der »Genomdiversität« verschrieben hatte und vor etwa drei Monaten infolge heftiger Widerstände gegen das Projekt geschlossen worden war. Kurz darauf war Nairn einfach … verschwunden. Niemand wusste, wo er war. Weder seine Eltern noch seine ehemaligen Institutskollegen noch seine Freunde und Bekannten. Niemand.
    Natürlich konnte man nicht ausschließen, dass Nairns Verschwinden reiner Zufall war. Vielleicht hatte sein Interesse an Madame Charpentier absolut nichts zu besagen, doch das schien ihm sehr unwahrscheinlich. Ein Zusammenhang war zwar vage, aber dennoch eindeutig erkennbar. Genetik, Deformationen, die Pyrenäen, die Basken, Blutuntersuchungen … Um klarer zu sehen, wie das alles miteinander verwoben war, musste Simon jedoch erst einmal etwas Abstand von der Sache gewinnen.
    Nach einem Blick auf die Uhr griff er nach seinem Sakko. Es war Mittag, und er hatte einen wenig erfreulichen Termin, eine lästige Pflicht zu erfüllen.
    Er quetschte sich ins Auto und fuhr in Richtung Norden los, wo der Londoner Motorway-Ring auf die ersten verwahrlosten Höfe und kurz gemähten Golfplätze traf. Und auf die gepflegten Grünflächen, die die St Hilary Mental Health Institution umgaben.
    Vierzig Minuten nachdem er von zu Hause losgefahren war, sah der Journalist einer Gruppe Schizophrener beim Fußballspielen zu.
    Hätte Simon nicht gewusst, was er sah - Geistesgestörte, die nach einem Ball traten -, wäre er vielleicht nie darauf gekommen, was hier vor sich ging. Was genau an diesem Gekicke so eigenartig war, wurde erst erkennbar, als Simon an der Seitenlinie stehen blieb. Die meisten Spieler bewegten sich auffällig steif und ungelenk. Der Torwart robbte ohne erkennbaren Grund durch den Strafraum. Und ein Verteidiger diskutierte hitzig mit der Eckfahne.
    »Simon!«
    Doktor Fanthorpe, der stellvertretende Leiter der klinischen Psychiatrie, winkte Simon über den Platz zu und kam dann zu ihm gerannt, um ihn zu begrüßen.
    Die »Fußballtherapie« war Fanthorpes Lieblingsprojekt. Der Psychiater vertrat die Auffassung, dass es zur besseren Sozialisierung von Psychotikern beitrug, wenn sie Mannschaftssport trieben, und dass das Erfolgserlebnis, wenn sie ein Tor erzielten, ihr Selbstwertgefühl stärkte. Außerdem nahmen die Patienten aufgrund der körperlichen Betätigung ab; viele psychisch Kranke waren übergewichtig. »Hallo, Bill.«
    Der Arzt lächelte; er trug Shorts, die wahrscheinlich drei Nummern zu groß waren.
    »Ich habe Ihre Artikel im Telegraph gelesen. Ganz schön verrückt. Die Baskenmorde!«
    »Ja … höchst eigenartig. Wie, äh, geht’s übrigens Tim, ist er …?«
    Fanthorpe war vom Fußballspielen noch ganz außer Atem.
    »Es geht ihm … gut. Letzte Woche mussten wir ihn neu einstellen, aber diese Woche hat er

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