Cagot
Streit; obwohl ich nicht weiß, ob ich seinen Glauben, selbst wenn ich ihn glauben könnte, auch haben wollte. Angus Nairn sah keinen Widerspruch zwischen erbarmungsloser Evolution und einer ziemlich … böswilligen Gottheit.«
Simon dachte kurz an seinen Bruder. Verdammt von einem grausamen Gott? Die Einsicht war flüchtig und beunruhigend und schmerzhaft irrelevant. Er konzentrierte sich auf das Interview.
Der alte Mann hatte ein knallrotes Seidentaschentuch herausgezogen und wischte sich gewissenhaft den Schweiß von der Stirn, bevor er fortfuhr: »Angus hat viel über solche Dinge gesprochen. Vor allem gegen Ende. Wenn wir … Gäste … hatten, einige unserer Geldgeber - sie führten hitzige Diskussionen. Die Bibel und die … die Tora. Ist das richtig? Ich habe es vergessen. Das Heilige Buch der Juden.«
»Der Talmud.«
»Ja. Alles ziemlich astrologisch, wenn Sie mich fragen. Runen und Horoskope! Die Tröstungen der Einfältigen, wie Lottoscheine für die Armen. Aber Angus konnte sich gewaltig echauffieren, wenn es um die Feinheiten seines Glaubens ging. Irgendeine seltsame Lehre, die sich >Der Same der Schlange< nennt, der Kanaansfluch, lauter abstruses Zeugs.«
»Wie bitte?«
»Über die genaueren Einzelheiten kann ich Ihnen leider nichts sagen. Falls Sie sich jedoch näher dafür interessieren sollten, reden Sie am besten mit Emma Winyard. Sie ist dafür mit Sicherheit die beste Adresse, würde ich sagen. Angus gab sehr viel auf ihre Meinung. Die letzten Wochen war er geradezu besessen von diesem Kram, und er zitierte sie ständig. Schreiben Sie sich das auf.«
»Entschuldigung, aber … das verstehe ich nicht…«
»Ich sage Ihnen ihren Namen und ihre Adresse! Vielleicht kann sie Ihnen mehr darüber erzählen.« Simon zückte seinen Stift.
Fazackerly sprach sehr langsam, sein altes Gesicht war grau in der Sonne.
»Emma Winyard. King’s College. Theologisches Institut.«
»Am KC London?«
»Ja. Ich weiß, dass er sich gegen Ende viel mit ihr austauschte. Vielleicht bringt sie Sie bei Ihren Nachforschungen weiter. Aber vielleicht, und das halte ich für wahrscheinlicher, ist auch überhaupt nichts dran.«
Simon machte sich Notizen. Sie schwiegen ein paar Minuten. Schließlich sagte der alte Mann mit einem Anflug von nachdenklicher Traurigkeit: »Tatsache ist… er fehlt mir sehr, Mister Quinn. Angus fehlt mir. Er brachte mich zum Lachen. Sagen Sie mir also bitte Bescheid, wenn Sie ihn finden sollten. Aber jetzt muss ich wieder zurück in mein Büro, packen. Ihnen krabbeln übrigens Ameisen die Hose hoch.«
Es stimmte. Zwei Ameisen kletterten Simons Hosenbeine hinauf. Er wischte sie weg. Fazackerly entfernte sich bereits mit raschen Schritten.
Simon blieb noch eine Weile sitzen. Dann stand er auf und ging zur U-Bahn-Station. Als er nach Hause fuhr, gingen ihm Bilder von Ameisen durch den Kopf. Vom Kämpfen und Töten. Vom Krieg der Arten, vom Krieg aller gegen alle.
Als er aus der U-Bahn nach oben kam, läutete sein Handy. Es war DCI Bob Sanderson.
»Das Geld!«, platzte er aufgeregt heraus.
»Wie bitte?«
»Der schnöde Mammon! Wir haben eine Spur.«
Sanderson hörte sich richtig aufgeregt an; er meinte Edith Taits seltsame Erbschaft. Simon war froh über die Ablenkung; er hörte aufmerksam zu, als Sanderson fortfuhr.
»Ich hatte schon so eine Ahnung, als Sie mir davon erzählt haben. Wegen Charpentier. Deshalb habe ich ganz altmodische Nachforschungen angestellt. Sie hatten alle Geld. Das Opfer aus Windsor hinterließ achthunderttausend Pfund. Das aus Primrose Hill über eine Million.«
Simon konnte nicht anders, als den Advocatus Diaboli zu spielen.
»Viele alte Leute haben Geld, Bob. Ein halbwegs passables Haus in einem schönen Teil Englands, das ist schon mal eine halbe Million.«
»Ja, schon, aber …« Sanderson redete munter weiter. »Befassen wir uns doch etwas eingehender mit dieser Sache, ja? Warum haben sie es zum Beispiel nicht ausgegeben? Vor allem Charpentier. Soviel wir wissen, hat sie, seit sie nach England kam, in dieser armseligen kleinen Hütte auf Foula gelebt. Und das, obwohl sie so viel Geld hatte.«
»Das ist allerdings seltsam.«
»Und sie hatte das Geld schon, als sie emigrierte.«
»1946?«
»Richtig. Schon 1946. Ein paar Franzosen, alle baskischer Herkunft, lassen sich nach dem Krieg in England nieder, nachdem sie vorher im besetzten Frankreich gelebt haben, und alle haben Geld, und alle werden fast siebzig Jahre später ermordet.«
»Soll
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