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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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peinliches Geheimnis. Die Cagots durften so gut wie keine normalen Berufe ergreifen. Es war uns nur erlaubt, Wasser zu schöpfen und Holz zu bearbeiten. Deshalb stellten wir Weinfässer und Särge für die Toten her. Wir wurden sehr gute Zimmerleute.« Über ihre Züge huschte ein trauriges Lächeln. »Deshalb haben wir in den Pyrenäen viele Kirchen gebaut, die wir dann aber oft nicht mehr betreten durften.«
    »Wie in Campan?«
    »Ja, wie in Campan. Oder in Bigorre. Und in vielen anderen Dörfern.« Eloise sprach inzwischen schneller. »Einige der Verbote für die Cagots waren richtig komisch, total verrückt. So durften wir zum Beispiel nicht wie normale Bauern barfuß gehen, und deshalb sagten sie plötzlich von uns, wir hätten alle zusammengewachsene Zehen. Cagots durften nicht dieselben Bäder benutzen wie die anderen Menschen. Wir durften keine Brückenpfeiler berühren. Ganz schön irre, nicht? Und wenn wir uns in der Öffentlichkeit bewegten, mussten wir einen Gänsefuß an unserer Kleidung tragen, la patte d’oie. Das Symbol für unsere zusammengewachsenen Zehen. Die Deformierung, die wir angeblich hatten.«
    »Wie der gelbe Judenstern im Dritten Reich«, bemerkte Amy. »D’accord. Auch in der Kirche wurden die Cagots wie minderwertige Außenseiter behandelt. Wenn wir eine Kirche betreten wollten, mussten wir unsere eigenen Türen benutzen, links vom Haupteingang. Sie haben diese kleinen Türen doch sicher gesehen? Ja! Auch unsere eigenen Weihwasserbecken hatten wir - die benitiers. Auch sie waren mit dem Gänsefuß gekennzeichnet! Und die Kommunion erhielten wir mit langen Holzlöffeln, damit uns die Priester bloß nicht anfassen mussten. Uns, die schmutzigen Menschen.«
    »Aber warum?«, fragte David, der inzwischen seinen Tee ausgetrunken hatte. Er wollte mehr Tee, oder etwas essen, egal was, nur um auf andere Gedanken zu kommen. Die traurige Geschichte des Mädchens brachte etwas von seinem eigenen unterschwelligen Schmerz an die Oberfläche.
    »Eloise, warum wurden die Cagots so behandelt? Warum wurden sie unterdrückt und ausgegrenzt?«
    Das Mädchen zog eine verächtliche Grimasse.
    »Das weiß eigentlich niemand. Niemand kann genau sagen, warum die Cagots so schlecht behandelt wurden. Früher behaupteten die Leute, die Cagots wären geisteskrank. Jedenfalls galten wir als minderwertig und verkommen. Und ansteckend.«
    »Wurden Cagots auch … umgebracht?«
    »Oui, oui. Manchmal aus ganz einfachen Anlässen. Und mit großer Brutalität. Im frühen achtzehnten Jahrhundert wurde in Les Landes ein reicher Cagot erwischt, als er das falsche Weihwasserbecken benutzte, das für die … Nicht-Cagots. Ihm wurde die Hand abgehackt und an die Kirchentür genagelt.«
    Amy zuckte zusammen.
    »Ganz schön brutal, nicht?«, sagte Eloise und fuhr fort. »Einem anderen Cagot, der es gewagt hatte, seine Felder zu bepflanzen - was strikt verboten war -, wurden mit heißen Eisenstiften die Füße durchbohrt. Wenn in einem Dorf ein Verbrechen passierte, gab man immer den Cagots die Schuld. Einige wurden sogar auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Und selbst nach dem Tod ging die Diskriminierung weiter - die Cagots wurden auf eigenen Friedhöfen begraben.«
    David wandte sich Amy zu. Sie nickte. Arizkun.
    »Aber woher kam dein Volk?«, fragte Amy. »Wer waren diese Menschen?«
    »Unsere Herkunft ist nicht klar, weil die Abstammungsunterlagen der Cagots praktisch vollständig … aus den Archiven getilgt wurden. Man sagt, dass während der Französischen Revolution die Gesetze gegen die Cagots abgeschafft wurden - ich glaube sogar, dass viele Cagots ihre Archiveinträge selbst zerstört haben; sie haben alle Dokumente, in denen ihre Herkunft verzeichnet war, gestohlen und verbrannt. Um die Demütigungen abzuschütteln! Ab 1789 haben wir Cagots uns langsam … integriert. Viele von uns haben ihre Familiennamen geändert. Die meisten Familien sind nach und nach ausgestorben. Da waren nämlich die … Probleme mit dem Kinderkriegen.«
    David sah das Mädchen an. Er dachte an seinen Großvater, der eine neue Identität angenommen hatte: vom Basken zum Spanier. Ein anderer Fall von uralter Scham.
    Amy stellte dem Mädchen weitere Fragen.
    »Gibt es denn zumindest irgendwelche Theorien, was die Herkunft der Cagots angeht?«
    »Naturellement. Aber die Berichte zu diesem Thema sind nicht gerade hilfreich. Sie widersprechen sich sogar in so simplen Fragen, wie wir angeblich aussehen! Manche beschreiben uns als klein, dunkelhäutig

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