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Cagot

Cagot

Titel: Cagot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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plötzlichen Ortswechsel, drehte sich die rote Ameise bald hierhin, bald dahin - doch dann begann sie auf die Erde eines Blumenbeets zuzusteuern. Aber der Weg dorthin wurde ihr von schwarzen Ameisen versperrt.
    Simon verfolgte das Schauspiel aufmerksam.
    Die rote Ameise rammte eine schwarze Ameise.
    »Und jetzt passen Sie auf…«, warnte Fazackerly.
    Sofort begannen die Ameisen zu kämpfen. Die schwarze Ameise packte die etwas größere rote Ameise mit ihren Kieferzangen. Die rote Ameise wehrte sich und warf die schwarze Ameise auf den Rücken - aber inzwischen waren die anderen schwarzen Ameisen mobilisiert. Sie hatten die ganz auf sich gestellte Ameise umzingelt und rissen ihr, eins nach dem anderen, die Beine aus; zum Schluss packte eine schwarze Ameise den Feind mit den Kieferzangen und riss ihm den Kopf ab. Die sterbende Ameise zuckte.
    »Da.« Fazackerly richtete sich auf. »Und?«, sagte Simon. »Was soll das Ganze?«
    »Sie wurden gerade Zeuge eines Falls von interspezifischer Konkurrenz.«
    »Und was ist das bitte?«
    »Heftige Rivalität zwischen nahe verwandten Spezies, die eine ähnliche evolutionäre Nische bewohnen. Es ist nichts anderes als eine Form von darwinistischem Überlebenskampf. Allerdings äußerst destruktiv. Und absolut unbarmherzig.« Fazackerly ging zu einer Bank in der Nähe und setzte sich auf das warme alte Holz; Simon folgte seinem Beispiel. Der alte Wissenschaftler schloss die Augen und hielt sein verwittertes Gesicht in die Sonne.
    »Intraspezifische Konkurrenz kann fast genauso brutal sein«, fuhr Fazackerly fort. »Rivalität unter Geschwistern. Der Kain-Komplex. Der mörderische Hass eines Bruders auf den anderen.«
    »Okay.« Simon atmete ein und aus und gab sich Mühe, nicht an Tim zu denken. Große Mühe. »Okay, verstehe. Das mag ja alles hochinteressant sein, aber was hat es mit Angus Nairn zu tun?«
    Der Professor öffnete die Augen. »Angus war Wissenschaftler. Er akzeptierte bereitwillig die bittere Wahrheit, die … Zivilisten wie Sie nicht akzeptieren wollen oder können.«
    »Und diese Wahrheit lautet?«
    »Das Universum ist nicht so, wie wir es uns wünschen. Es ist keine erweiterte Version von Schweden, die von einem Sozialarbeiter in Sandalen geleitet wird. Es ist nicht einmal ein Königreich, das von einem launischen Potentaten regiert wird. Das Universum ist eine gewalttätige, sinnlose Anarchie, voller gnadenloser Rivalität.« Er lächelte aufgekratzt. »Natürliche Auslese mag vielleicht wie Fortschritt erscheinen, ist sie aber nicht. Die Evolution ist willkürlich, sie … führt nirgendwohin. Das einzige Gesetz ist Konkurrenz - und morden und kämpfen. Der Krieg aller gegen alle. Und wir sind da keine Ausnahme. Die Menschheit ist denselben Gesetzen sinnloser Konkurrenz unterworfen wie die Tiere, wie die Ameisen und die Kröten und die wundervollen Kakerlaken.«
    Der Wind brachte die Eichen hinter ihnen zum Rauschen.
    »Und Angus Nairn?«
    »Die Menschen wollen nichts wissen von dieser Wahrheit. Darwins Erkenntnisse sind jetzt schon hundertfünfzig Jahre in Umlauf, und dennoch leugnen immer noch Menschen die schonungslosen Wahrheiten, die er offengelegt hat. Selbst Leute, die den natürlichen Ausleseprozess akzeptieren, machen sich gern vor, dass er teleologisch ist, dass er einen Zweck hat, eine Richtung, eine Entwicklung zu höheren Formen hin.« Er schüttelte resigniert den Kopf. »Aber das ist natürlich kompletter Unsinn. Trotzdem will es niemand hören. Deshalb ist unsere Aufgabe auch äußerst undankbar. Und manchmal frage ich mich, ob sich Angus davon vielleicht hat entmutigen lassen. Vielleicht hat er einfach alles hingeworfen und liegt jetzt irgendwo unter Palmen in der Sonne. Zu verdenken wäre es ihm jedenfalls nicht.« Ein trauriges Seufzen. »Er war ein hervorragender Genforscher, nur leider in einer Welt, die partout nichts von den Wahrheiten hören will, die von der Genforschung in solcher Fülle enthüllt werden.« Der alte Mann atmete tief aus. »Aber natürlich entbehrt das Ganze nicht einer gewissen Ironie.«
    »Inwiefern?«
    »Nairn war sehr religiös.«
    »Wie bitte?«
    »Ja. Ziemlich verrückt, nicht? Trotz seiner enormen natürlichen Begabung als Genforscher war er … tiefgläubig.« Fazackerly zuckte mit den Achseln. »Ich glaube, Nairn wurde von seinem Vater, einem Laienprediger, sehr religiös erzogen und eignete sich aufgrund dessen ein umfangreiches Geheimwissen an. Natürlich gerieten wir deswegen immer wieder gewaltig in

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