Cagot
DCI Bescheid, sobald ich ihn sehe.«
»Sehr gut. Vielen Dank, Andrew.«
Simon drückte die Trenntaste. Dann legte er das Handy beiseite und schaute aus dem Fenster. Eine halbe Stunde sonnte er sich im Hochgefühl seiner Entdeckung. Dann mischte sich das Läuten der Türglocke in die Hymne seiner Freude. Er ging öffnen. Zu seiner Überraschung stand Tomasky vor ihm.
»Hallo, DS. Ich dachte …«
Der Polizist schob sich ins Haus und zog die Tür hinter sich zu. Simon wich verdutzt zurück. Tomasky hatte ein Messer.
26
Tomasky brüllte vor Wut, als sein erster Messerstoß Simons Hals nur um wenige Zentimeter verfehlte.
Simon hielt den Atem an, als er den nächsten Stoß kommen spürte. Auch diesmal gelang es ihm, auszuweichen und die Klinge abzulenken - aber Tomasky attackierte ihn ein drittes Mal, und diesmal stürzten sie beide zu Boden. Tomasky krallte seine freie Hand um Simons Kehle, und die Messerspitze kam direkt auf sein rechtes Auge zugeschossen.
Würgend und hustend konnte Simon den auf ihn zukommenden Arm gerade noch rechtzeitig abfangen. Heftig zitternd kam die Messerspitze nur wenige Zentimeter über seinem Augapfel zum Stillstand.
Tomasky drückte mit aller Kraft nach unten, Simon genauso fest nach oben. Das Messer war so dicht über Simons Auge, dass es für ihn nur als ein bedrohliches Blitzen zu erkennen war. Und die Spitze kam immer näher. Schaudernd wurde Simon bewusst, dass er geblendet und dann getötet würde, wenn sich die Klinge durch die Augenhöhle in sein Gehirn bohrte.
Sein Auge tränte und blinzelte unkontrolliert. Die Messerspitze zitterte von den sich gegenseitig aufhebenden Kräften der erbittert kämpfenden Männer. Mit einem wilden Aufschrei unternahm Simon einen letzten Versuch, die Klinge von sich wegzudrücken, aber er war auf verlorenem Posten. Er schloss die Augen und wartete nur noch darauf, dass sich der Stahl in seinen ungeschützten Augapfel bohrte und in sein Gehirn eindrang.
Doch plötzlich tat es einen lauten Schlag, und etwas Glitschig-Nasses klatschte in sein Gesicht. Tomaskys Körper war nur noch ein lebloses Gewicht, das schwer auf ihm zu liegen kam. Er schob den toten Polizisten von sich und öffnete verblüfft die Augen.
Sanderson.
Der DCI stand in der offenen Tür, und neben ihm ein Polizist mit einer kugelsicheren Weste. Die Tür war eingetreten worden. Der Polizist mit der kugelsicheren Weste hatte eine Pistole.
»Volltreffer, Richman.«
»Sir.«
Sanderson bückte sich und streckte Simon eine Hand entgegen, um ihm auf die Beine zu helfen. Doch als Simon sich aufrichten wollte, begannen seine Knie so stark zu zittern, dass er wieder zu Boden sank. Er starrte auf Tomaskys Leiche. Sein Kopf war von einem seitlich aus nächster Nähe abgegebenen Schuss buchstäblich weggeblasen worden. Teile seines blutig zerfetzten Schädels waren über die ganze Diele verteilt.
Dann wurde sich Simon wieder der glitschig-nassen Masse auf seinem Gesicht bewusst. Gegen einen heftigen Brechreiz ankämpfend, richtete er sich schwankend auf und torkelte, ohne etwas zu den Polizisten zu sagen, nach oben ins Bad, wo er bewusst nicht in den Spiegel schaute. Er wollte sich auf keinen Fall so sehen, mit Blut und Hirnmasse verschmiert. Immer wieder spritzte er sich Wasser ins Gesicht und verbrauchte eine Packung Papiertücher und eine halbe Flasche Handseife, bis er endlich alles abgewaschen zu haben glaubte. Ihm wurde schlecht, und er musste sich fast übergeben. Schließlich begann er die gleiche Prozedur noch einmal.
Jetzt erst riskierte er einen Blick in den Spiegel. Sein Gesicht war sauber. Aber in seiner Wange steckte noch etwas. Ein kleiner Gegenstand, wie ein Glassplitter, der sich in seine Haut gebohrt hatte. Er beugte sich dem Spiegel entgegen und zog den Gegenstand heraus.
Es war einer von Tomaskys Zähnen.
»Er war bei der Liga Polnischer Familien.«
DCI Sanderson stand hinter ihm in der Tür des Badezimmers.
»Wie bitte?«
»Tomasky. Wir observieren den Dreckskerl schon eine ganze Weile. Tut mir leid, dass es für Sie so eng wurde. Wir haben seine Telefonate abgehört … aber er konnte sich unbemerkt aus dem Gebäude schleichen …«
»Sie …«
»Tut mir wirklich leid, Simon, dass es so kommen musste. Wir haben zu lange gewartet…«
Simons Hände zitterten noch immer unkontrolliert. Versuchsweise hob er die rechte hoch, beobachtete ihr Zittern. Er griff nach einem Handtuch und trocknete sein Gesicht ab. Versuchte, ruhig und unerschrocken zu sein,
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