Cagot
was ihm aber nicht gelang.
»Wie kam es, dass Sie ihn verdächtigt haben?«
Sanderson setzte ein wehmütiges Lächeln auf.
»Es gab da alle möglichen seltsamen Kleinigkeiten. Die Knotung. Erinnern Sie sich noch?«
»Natürlich.«
»Sie hatten in weniger als einer Stunde herausgefunden, dass es sich dabei um eine bei Hexen gebräuchliche Folter handelt. Tomasky nicht. Obwohl ich ihn schon vor Ihnen darauf angesetzt hatte, hat er nichts dergleichen herausgefunden. Und das, obwohl er ein fähiger Polizist war. Irgendwie … eigenartig.« Der DCI deutete auf Simons Gesicht. »Sie bluten immer noch.«
Simon schaute wieder in den Spiegel. Die Stelle, an der sich der Zahn in seine Wange gebohrt hatte, blutete tatsächlich noch, aber nur leicht. Nach kurzem Suchen fand er im Badezimmerschrank etwas Watte. Er wischte das Blut mit Wasser weg, dann spülte er den Wattebausch aus. Weiße Watte, rote Watte, sauberes Wasser, verfärbtes Wasser. Blut im Wasser. Sanderson redete weiter.
»Diese Geschichte mit der Knotung - das war der Punkt, an dem ich stutzig wurde. Bei dieser Gelegenheit fiel mir auch wieder ein, dass Tomasky Tod und Teufel in Bewegung gesetzt hatte, um diesen Fall zugeteilt zu bekommen. Ihm schien sehr viel daran gelegen gewesen zu sein. Und dann fanden wir heraus, dass er eine Reihe von Anrufen, die eigentlich für mich bestimmt waren, entgegengenommen hatte, ohne mir etwas davon zu erzählen. Zum Beispiel den von Edith Tait. Und es gab auch verschiedene Anhaltspunkte, denen er nicht nachgegangen ist. Deshalb haben wir uns etwas genauer mit seiner Vergangenheit befasst …«
Simon machte Sanderson ein Zeichen. Er wollte das Badezimmer verlassen. Er wollte das Haus verlassen. Im Erdgeschoss wurden Stimmen laut. Vermutlich weitere Polizisten. Vor dem Haus hielt ein Krankenwagen, um die Leiche abzutransportieren.
Sie gingen auf die Galerie hinaus und beugten sich über das Geländer, um in die Diele zu schauen. Die Leiche lag immer noch da, umringt von Rettungssanitätern. Auf dem Parkettboden befanden sich große Blutlachen, als hätte jemand leuchtend rote Farbe ausgeschüttet. Dieser Parkettboden war Suzies ganzer Stolz. Und Simon fragte sich - etwas deplatziert -, wie verärgert sie wäre.
»Sie haben vorhin von seiner Vergangenheit gesprochen.«
»Ja.« Sanderson nickte. »Wie gesagt, polnischstämmig. Kam vor etwa zehn Jahren mit seiner Familie hierher. Absolut weiße Weste. Nichts auch nur annähernd Verdächtiges. Wollte ursprünglich sogar Priester werden. Oder Mönch. Sein Vater war allerdings ein ziemlich hohes Tier in der Liga Polnischer Familien. Und sein Bruder hat für Radio Maryja gearbeitet.«
»Und was ist das genau?«
»Rechtsradikale nationalistische Gruppen, ultrakatholische politische Parteien. Mit Verbindungen zur französischen Front National und zu katholischen Gruppierungen wie der Piusbruderschaft. Viele von ihnen bewegen sich durchaus im Rahmen des gesetzlich Erlaubten, aber mit einem … rechtsradikalen Programm. An den Rändern jedenfalls.«
»War er also ein Nazi?«
»Nein. Um richtige Nazis handelt es sich bei diesen Gruppierungen nicht, soweit wir das beurteilen können. Es geht ihnen eher um die Wiederbelebung konservativer alter Werte, Herd und Heim und so weiter. Die Heilige Jungfrau Maria und ein richtig großes, starkes Militär. Mit Aktionen wie Schwarze verprügeln - oder anglo-irische Journalisten umbringen - haben diese Leute eigentlich nichts am Hut. Normalerweise jedenfalls.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich auch nicht, ich auch nicht.« Sanderson sah Simon forschend an. »Allerdings könnte es eine Verbindung geben … Sie wissen schon, Ihre Hexentheorie. Das hat uns hellhörig werden lassen. Wir sind dabei, noch weitere Erkundigungen über Tomasky einzuziehen. Angeblich wollte er ursprünglich Mönch werden, und auf jeden Fall war er ein eifriger Kirchgänger. Hexen und Kirchen, Kirchen und Hexen? Wer weiß.«
»Dann haben Sie also mein Telefonat mit ihm abgehört?«
»Haben wir«, antwortete Sanderson. »Er hat gemerkt, dass Sie etwas Wichtigem auf der Spur waren, als Sie ihn angerufen haben, etwas, was er auf keinen Fall ans Licht kommen lassen wollte. Deshalb blieb ihm nichts anderes übrig, als Sie aus dem Weg zu räumen.«
»Meinen Sie, es hängt mit den Cagots zusammen?«
»Ja. Darum ging es doch in Ihrem Gespräch mit Tomasky. Und dann um diese zwei Leutchen dort unten in Frankreich. Alles hochinteressant. Nur, was steckt verdammt noch mal
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