Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
der Cestiusbrücke, dahinziehen. „Möge Neptun euch unterwegs mit seinem Dreispitz aufspießen!" rief er höhnisch lachend dem Boot nach. Er war müde und fühlte sich wie zerschlagen. Er setzte sich auf eine Steintreppe, die zum Fluß hinunterführte, und ruhte sich eine Weile aus.
Die Sonne stieg gerade hinter dem Palatinus hoch, und die Dächer und Kuppeln des kaiserlichen Palastes glühten, als ob sie brannten. Scharen von Sklaven, mit Körben und Einholetaschen bewaffnet, strömten über das Velabrum den Markthallen zu. Vom Aesculapiustempel her, der ihm gegenüber auf der Tiberinsel lag, wehte ein Duft von Weihrauch in seine Nase. „Es werden den Göttern also schon Opfer gebracht", dachte Mucius sich. „Ich sollte mich aus Dankbarkeit daran beteiligen." Er mußte heftig niesen, und das brachte ihn zur Besinnung. Er sprang auf und zog los, um rasch in die Xanthosschule zurückzukehren. Doch unterwegs paßte er wie ein Luchs auf, ob auch nicht der Exgladiator irgendwo auftauchte. Er beeilte sich trotzdem, denn seine Freunde warteten bestimmt schon ungeduldig auf ihn.
„Schadet ihnen eigentlich nichts, wenn sie sich ängstigen", murmelte Mucius vor sich hin, als er durch die Tuscastraße trabte. „Sie haben die ganze Zeit gefaulenzt, während ich beinah zugrunde gegangen wäre. Aber ich hab' wenigstens herausgefunden, wo Caius ist." Er konnte nicht wissen, daß Antonius ihm damit schon zuvorgekommen war.
Mucius hatte jedoch, ohne im Augenblick etwas davon zu ahnen, noch etwas entscheidend Wichtiges entdeckt.
21. Kapitel
Der letzte Strohhalm
Mucius' Freunde wurden immer unruhiger über sein unerklärliches Ausbleiben. Ohne ihn fühlten sie sich wie verwaist. Hin und wieder lief einer von ihnen auf die Breite Straße hinaus und schaute nach, ob er nicht irgendwo auftauchte. Claudia war gewiß auch am Rande ihrer Nervenkraft, daß die Jungen sie so lange warten ließen.
Jetzt war es mindestens schon eine Stunde her, seitdem Rufus und Antonius Ramses in den Garten gebracht hatten. Der Garten war von einer Mauer umgeben, und die Leute, die draußen vorbeigingen, konnten den Löwen nicht sehen. Antonius hatte Ramses mit Xantippus' Wäscheleine an den dicksten Olivenbaum angebunden, und Rufus hatte die Hammelkeule aus der Küche geholt. Die hatte Ramses in drei Sekunden aufgefressen, und hinterher hatte er mit seinen gewaltigen Zähnen noch im Nu den Knochen zerknackt, als ob es nur eine dünne Honigstange sei. Als sie ihn allein ließen, guckte er hoffnungsvoll hinter ihnen her. Er konnte es anscheinend nicht fassen, daß die lächerliche Hammelkeule alles war, was sie ihm anzubieten hatten.
Xantippus ging in seinem Zimmer mit grimmiger Miene auf und ab. „Bei allen Göttern, wo steckt Mucius nur!" murmelte er finster vor sich hin.
Julius kratzte sich hinterm Ohr. „Es ist schon schlimm, daß Caius in den Katakomben eingesperrt ist. Leider können wir ihm vorläufig nicht helfen, aber wir wissen wenigstens, wo er ist. Warum Mucius nicht kommt, mögen die Götter wissen."
„Ich weiß, was Mucius geschehen ist!" rief Antonius aufgeregt.
„Wieso? Du bist gescheiter als die Götter, was?" sagte Publius.
„Der geheimnisvolle Dicke ist gar kein Mensch, sondern ein böser Geist", fuhr Antonius unbeirrt fort. „Er hat gemerkt, daß Mucius ihn verfolgt, und deswegen hat er ihn in eine Schlange verwandelt."
„Warum in eine Schlange?" fragte Julius verdutzt.
„Eine Schlange kann nicht so rasch hinter jemand herlaufen", erklärte Antonius ihm. „Nein, ich irre mich, er hat ihn in eine Schnecke verwandelt, die ist noch langsamer."
Flavius war beeindruckt. „Hoffentlich hat er ihn nicht in eine Statue verzaubert", sagte er ängstlich.
„Das darf ein Zauberer nicht", belehrte Antonius ihn. „Das dürfen nur die Götter. Wenn ein Zauberer das täte, würden die Götter ihn zur Strafe an einen Felsen anschmieden und von einem Adler zerhacken lassen, wie es Zeus mit Prometheus gemacht hat, weil der gewagt hat, den Menschen das Feuer zu bringen."
„Wenn du nicht sofort aufhörst mit deinem Gefasel, Antonius, gebe ich dir eine saftige Strafarbeit auf!" herrschte Xantippus ihn an.
Antonius verstummte gekränkt. Xantippus hatte auch überhaupt kein Verständnis für das Übernatürliche.
„Rufus!" befahl Xantippus. „Lauf diesmal bis an die Ecke des Forums, und schau nach Mucius aus! Wenn du ihn siehst, komm schleunigst zurückgerannt, und melde es uns!"
„Jawohl, Meister Xanthos", sagte Rufus und
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