Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
Ahnung, was die Striche bedeuten sollen."
Die andern lachten ihn aus.
„Megabates wohnt im fünften Stock, du Esel", klärte Julius ihn auf. „Aber was können die drei kleinen Striche bedeuten?" fragte Flavius. „Vielleicht die dritte Tür", sagte Mucius hoffnungsvoll. Er hatte richtig geraten. Sie entdeckten jetzt, daß alle Türen numeriert waren. Sie kletterten rasch die Holzstiegen zur fünften Galerie hinauf und blieben vor der Tür mit der Nummer III stehen. Mucius schlug energisch mit der Faust gegen den Vorhang, was aber kein Geräusch, sondern nur eine dichte Staubwolke erzeugte. Nun rief er laut: „Wohnt hier Megabates?" Worauf von innen eine mürrische Stimme antwortete: „Komm rein!"
„Ich glaube, wir brauchen hier unsere Sandalen nicht auszuziehen?" flüsterte Mucius den anderen zu und trat ein.
Das Amt eines Zeitungsbeamten schien nicht sehr einträglich zu sein; Megabates' Wohnung bestand nur aus einem einzigen, dürftig eingerichteten Zimmer ohne Fenster. In einer Ecke war ein kleiner offener Herd, in dem gerade ein Feuer brannte; in der anderen lag ein Strohsack am Boden. Das war wahrscheinlich das Bett. In den Wänden steckten Nägel, an denen Kleider und Decken hingen.
Megabates saß vor einer dampfenden Schüssel an einem Tisch und aß. Die Jungen konnten feststellen, daß es gekochte Erbsen mit Würstchen waren. Daneben lagen ein großes Stück Brot und ein breites, dolchähnliches Messer. Der Beamte war ein älterer, mißmutig dreinblickender Mann mit einem spitzen, grauen Bart, der die Jungen an Xantippus erinnerte.
Megabates ließ sich durch die Jungen beim Essen nicht stören und stopfte ruhig weiter mit der Hand die heißen Erbsen in seinen Mund; hin und wieder schob er ein Stückchen Wurst hinterher. Schließlich brummte er, mit vollen Backen kauend: „Wer seid ihr?"
„Bist du Megabates?" fragte Mucius.
„Was wollt ihr?" fragte Megabates.
„Wir müssen dich sehr wichtig sprechen", sagte Mucius.
„Ich bin Megabates. Ich bin jetzt nicht zu sprechen", knurrte Megabates und starrte besorgt auf seine Erbsen.
„Wir wollen dich nicht stören, aber wir haben es sehr eilig", sagte Mucius entschuldigend.
„Ich habe es auch eilig", sagte Megabates. „Ich muß ins Amt. Kommt morgen wieder!" Damit schien die Angelegenheit erledigt zu sein, denn er steckte sich eine neue Portion in den Mund.
Mucius ließ nicht locker. Er wußte, es stand alles auf dem Spiel, und es gab kein Zurückweichen jetzt. „Wir wollen nur wissen, ob du vorgestern abend im Büro des Zensors die Nachrichten entgegengenommen hast?" sagte er.
„Hab' ich", brachte Megabates undeutlich hinter den Erbsen hervor. Er schluckte ein paarmal und fragte dann: „Warum willst du das wissen?"
„Wir möchten gerne wissen, wer der Kurier war, der die Nachricht von der Tempelschändung gebracht hat", sagte Mucius.
„Das ist Amtsgeheimnis", sagte Megabates kurz angebunden. Dann schärfte er das Messer am Schüsselrand und schnitt sich eine dicke Scheibe Brot ab.
Flavius ließ das Messer nicht aus den Augen und zog sich in den Hintergrund zurück.
„Bitte, sag es uns!" bat Mucius.
„Wer bist du überhaupt?" fragte Megabates.
„Ich bin Mucius Marius Domitius", erwiderte Mucius.
Megabates schaute beunruhigt auf. „Domitius? Bist du etwa verwandt mit seiner Exzellenz, dem ehrenwerten Tribun Domitius?"
„Das ist mein Vater", sagte Mucius so bescheiden, wie es ihm möglich war.
Megabates sprang auf, schluckte hastig das Brot runter und verneigte sich tief. „Verzeih, junger Herr! Warum hast du das nicht gleich gesagt? Schickt dein Vater dich?"
Mucius nickte bejahend. Auf eine kleine Notlüge mehr kam es nun auch nicht an. Es ging ja schließlich um das Leben seines Freundes, da durfte man nicht zimperlich sein.
„Mein Vater ist der berühmte Senator Vinicius", rief Caius.
Megabates verneigte sich auch vor ihm. „Selbstverständlich", stotterte er verwirrt. So viel Glanz in seiner Kammer erdrückte ihn. „Ich stehe zu jeder Auskunft zur Verfügung", sagte er beflissen. „Laßt mich nachdenken. Vorgestern abend .. . die Nachricht von der Tempelschändung .. . ja, ich weiß jetzt. Der Kurier kam ziemlich spät, so um die vierte Stunde der Nacht ... "
Die Jungen schauten einander bedeutungsvoll an.Xantippus hatte richtig vermutet.
„Er brachte ein versiegeltes Schreiben", fuhr Megabates fort. „Es stand ,Sehr dringend' drauf. Ich machte das Schreiben auf; es war die Nachricht von der Tempelschändung.
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