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Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf

Titel: Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
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geheimnisvolle Gast war, den Xantippus mit so viel Scharfsinn eingekreist hatte. Es wohnten immerhin eine Menge Leute in der Nachbarschaft des Minervatempels, und sie konnten doch nicht von Tür zu Tür gehen und fragen: „Entschuldige, bitte, bist du der Mann, der ,Caius ist ein Dummkopf' an die Tempelwand geschrieben hat?"
    „Warum gehen wir nicht einfach zu Tellus und fragen ihn?" schlug Mucius vor.
    Doch Xantippus war dagegen. „Das wird uns eher schaden als nützen", sagte er. „Tellus ist mit allen Würdenträgern befreundet. Er wird es sich mit keinem verderben wollen und uns keine Auskunft geben. Tellus ist ein Politiker, und in der Politik wäscht eine Hand die andere."
    „Wir finden den Mann nie", rief Julius mutlos. „Wir können nur noch die Hilfe der Götter anrufen. Wir sollten ihnen ein Opfer bringen."
    „Nun, nun", sagte Xantippus beschwichtigend, „noch brauchen wir uns nicht in Unkosten zu stürzen. Die Götter helfen einem auch, wenn man sich selber hilft. Wir können erst noch einmal etwas anderes versuchen. Und da kommt uns ein glücklicher Umstand zustatten. Tellus ist zwar ein großer Verschwender, wenn es sich um seine Vergnügen handelt, aber wenn es um seine persönliche Sicherheit geht, ist er eine berechnende Natur. Als Politiker weiß man nie genau, ob man nicht eines Tages in Ungnade fällt, und dann ist es immer gut, sich auf seine früheren Freunde berufen zu können. Geht es einem aber schlecht, vergessen die meisten Freunde gern, daß sie jemals mit einem befreundet waren. Tellus ist schlau. Er führt eine Art Gästebuch und bittet alle seine Gäste, sich darin einzutragen; jeder fühlt sich sehr geehrt, wenn ihn der reiche und berühmte Exkonsul darum ersucht. Tellus' Gästebuch ist aber nicht ein gewöhnliches Buch, das verlorengehen oder zerstört werden könnte, sondern eine weiße Marmorwand in der großen Halle seines Palastes. Er hat sich eine besondere rote Farbe anfertigen lassen, die nicht abwaschbar ist, und die Gäste malen mit einem Pinsel ihre Namen an die Wand. Glücklicherweise steht über jeder Namensliste das Datum des entsprechenden Festes, was uns sehr angenehm ist; denn die Namen der Gäste, die uns brennend interessieren, stehen unter dem zwanzigsten März." „Wie können wir das Gästebuch zu sehen bekommen?" fragte Mucius.
    „Ich habe mir schon einen Plan zurechtgelegt", erwiderte Xantippus. „Aber was mir noch Sorgen macht, ist, daß es sehr schwer sein wird, sich alle Namen zu merken. Es können fünfzehn bis zwanzig oder mehr sein. Wer von euch hat ein gutes Gedächtnis?"
    „Ich!" schrie Antonius. „Ich habe ein phänomenales Gedächtnis. Ich erinnere mich noch daran, wie ich in der Wiege lag. Es war scheußlich. Ich konnte noch nicht reden. Nur ,Papa' und ,Mama' konnte ich sagen. Ich war so wütend darüber, daß ich fortwährend laut gebrüllt habe."
    „Das genügt nicht", sagte Xantippus. „Ich erinnere mich auch noch daran, wie ich in der Wiege lag."
    Die Jungen lachten schallend. Die Vorstellung, daß Xantippus auch ein Baby gewesen war, hatte etwas unwiderstehlich Komisches für sie.
    „Ruhe!" befahl Xantippus. „Wenn ihr lachen wollt, tut es zu Hause oder auf der Straße. In meiner Anwesenheit wird nicht gelacht."
    Julius sagte: „Antonius hat wirklich ein gutes Gedächtnis. Er braucht eine Sache nur einmal zu lesen, dann kann er sie schon auswendig."
    „Dann wundert es mich, daß er seine Vokabeln nie kann", sagte Xantippus.
    „Das kommt daher, weil er sie nie anschaut", brummte Caius.
    „Glaubt ihr alle, daß Antonius das beste Gedächtnis von euch hat?" fragte Xantippus.
    „Ja", riefen die Jungen einstimmig, einschließlich Antonius.
    „Also gut", sagte Xantippus, wenig begeistert. „Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als ihn zu Tellus zu schicken."
    „Mich?" rief Antonius, von Freude überwältigt.
    „Du bringst ihm einen Brief von mir", sagte Xantippus. „Ich habe vor einigen Jahren historische Nachforschungen für Tellus angestellt; er kennt mich daher. Ich werde ihm schreiben, daß er beim Kaiser ein gutes Wort für Rufus einlegen möchte. Er wird meine Bittschrift ungelesen in den Papierkorb werfen, aber daraufkommt es uns nicht an. Du bringst das Schreiben in den Palast und sagst, daß du auf Antwort warten sollst. Hier hast du zehn Sesterzen", Xantippus gab Antonius das Geld, „drück sie dem Türhüter in die Hand, damit er dich auch reinläßt. Er wird dich in die große Halle führen, wo die Marmorwand mit

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