Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
Er blickte erstaunt auf, als die Jungen plötzlich wieder vor ihm standen. „Da seid ihr ja schon wieder?" sagte er.
„Wir haben eine große Bitte", begann Julius einschmeichelnd.
„Ihr seht mir nicht so aus, als ob ihr betteln müßt", unterbrach ihn der Wächter argwöhnisch. „Was wollt ihr? Naschzeug kaufen? In die Bäder gehen? Würfel spielen?" Dann fügte er auflachend hinzu: „Geld habe ich selber nicht. Da müßt ihr euch einen andern Dummen suchen!"
„Wir betteln nicht", sagte Julius würdevoll. „Wir möchten gerne wissen, wer der Beamte ist, der abends immer die letzten Nachrichten entgegennimmt."
„Ihr meint Megabates?" sagte der Wächter.
„Ja, den meinen wir!" rief Publius grinsend.
„Ein Grieche, nicht wahr?" fragte Mucius rasch. Er wußte, daß Megabates ein griechischer Name war.
„Können wir ihn sprechen?" fragte Julius.
„Megabates wird noch zu Hause sein und sich ausschlafen", erwiderte der Wächter. „Er hat Nachtdienst und kommt immer später."
„Er wohnt nicht weit von hier?" fragte Julius auf gut Glück.
„Wenn ihr ihn kennt, werdet ihr ja auch wissen, wo er wohnt", sagte der Wächter, lustig blinzelnd.
„Natürlich wissen wir, wo er wohnt", rief Antonius. „Wir haben es nur vergessen. Wir vergessen manchmal sogar, wo unsere Schule ist."
Der Wächter lachte. Die Jungen gefielen ihm. Es war noch gar nicht so lange her, daß er selber manchmal die Schule geschwänzt hatte. „Megabates wohnt in einem Mietshaus in der Patrizierstraße, direkt an der Ecke der Subura", sagte er. „Aber nun macht, daß ihr wegkommt!" schimpfte er gutgelaunt und zückte scherzhaft drohend sein Schwert.
„Besten Dank!" riefen die Jungen und rannten lachend davon.
Sie bogen um die Ecke und befanden sich wieder auf dem Forum. Der große Platz war mit unübersehbaren Menschenmassen angefüllt. Wahrscheinlich hatte der erste schöne Frühlingstag sie ins Freie gelockt. Die Sonne schien, der Himmel war strahlend blau, und eine leichte Brise, die nach Frühling roch, wehte vom Süden. Alle Leute sahen vergnügt aus, und ihre blendend weißen Togen und Tuniken zeigten, daß sie zur Feier des Tages ihre besten Sachen aus dem Schrank geholt hatten.
Doch die Jungen aus der Xanthosschule hatten keine Zeit zum Spazierengehen. Sie bahnten sich einen Weg durch die Menge, wobei sie ziemlich rücksichtslos von ihren Ellenbogen Gebrauch machten. Mucius warf dabei einen Blick auf das düstere Stadtgefängnis am Fuß des Kapitols und sagte: „Da ist Rufus drin!"
Die anderen starrten gleichfalls zum Gefängnis hinüber.
„Es muß fürchterlich sein da drin", murmelte Flavius.
„Die Gefangenen sind ganz tief unter der Erde ", sagte Antonius.
„Vielleicht könnte man einen Gang graben und Rufus befreien", schlug Caius vor. Publius lachte ihn aus. „Wo willst du anfangen zu graben?" fragte er. „Hier auf dem Forum? Vor allen Leuten?" Caius ärgerte sich. „Du kannst immer nur dumme Witze machen", schnaubte er und ging auf ihn los. „Du bist nur zu dumm, sie zu verstehen", gab Publius hämisch zurück und ballte die Fäuste.
„Mundhalten!" zischte Mucius und trat rasch zwischen sie. „Die Leute drehen sich nach uns um. Wenn ihr euch prügeln wollt, macht das, wenn ihr allein seid!"
„Pah!" sagte Publius. „Ich prügele mich nicht mit Caius. Der Adler hat eine noble Seele und hackt nicht nach Fliegen."
„Ein Aasgeier bist du, aber kein Adler!" brummte Caius.
Antonius und Flavius lachten, und das besänftigte ihn. Die Jungen zogen weiter. Sie schlugen sich zum Senatsgebäude durch, von wo sie eine Seitenstraße gewannen, die weniger belebt war und sie rasch in die Subura brachte. Als sie sich der Ecke der Patrizierstraße näherten, sahen sie sofort das Haus, das der Wächter gemeint haben mußte.
Es war eine schäbige, fünfstöckige Mietskaserne. Das untere Stockwerk bestand ausschließlich aus ärmlichen, nischenförmigen Läden, deren Waren auf dem Bürgersteig ausgebreitet waren. An der Ecke war ein Frisörgeschäft. Der Barbier stand auf der Straße und schnitt gerade einem Kunden mit einer großen Schere die Haare. Der Mann saß ergeben auf einem kleinen Hocker, und um ihn herum standen mehrere Straßenjungen, die interessiert zusahen. Daneben war ein Schlächter. Das Fleisch hing an großen Haken außen an der Mauer. Dann kam eine Nische, über der ein aus Stein gehauener Ziegenkopf anzeigte, daß man hier Milch kaufen konnte. Anschließend kamen noch eine Wäscherei, ein
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