Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
von den Schultern und hielt ihn Xantippus hin: „Der Mantel .. . die Kette ..." , rief er stammelnd. „Hier ist die Kette, die du dem Einbrecher abgerissen hast!"
Am Mantelkragen baumelte die goldene Kette, die die Jungen bei Xantippus unterm Schrank gefunden hatten.
„Tatsächlich", murmelte Xantippus verblüfft. „Sie ist es. Man kann sogar ganz deutlich die Stelle sehen, wo der Haken wieder gradegebogen worden ist." Xantippus blickte Antonius fragend an. „Wem gehört der Mantel?"
„Tellus", sagte Antonius und wischte sich mit einem Zipfel seiner Toga das Wasser aus dem Gesicht.
Xantippus kniff die Augen zusammen. „Wie?", rief er, als ob er nicht recht verstanden hätte. „Wie bist du zu Tellus' Mantel gekommen?"
„Das ist eine tolle Geschichte, hahaha!" fing Antonius wieder an. Sein Rausch war noch nicht völlig verflogen.
„Bist du denn überhaupt bei Tellus gewesen?" rief Mucius.
„Natürlich!" schrie Antonius. „Es war göttlich. Ich habe mich fabelhaft amüsiert. Zum Schluß wollte man mich auch noch umbringen. Hahaha!"
„Erzähl! Erzähl! Was war los?" riefen die Jungen durcheinander.
„Wo sind die Namen?" rief Julius.
„Die hab' ich nicht. Die waren gar nicht da", sagte Antonius.
Xantippus starrte noch immer kopfschüttelnd auf den Mantel und die Kette. „Woher weißt du, daß es Tellus' Mantel ist?" fragte er. „Ich hab' ihn aus seinem Schlafzimmer gestohlen", sagte Antonius. Xantippus war aufs neue überrascht. „Wie bist du denn in Tellus' Schlafzimmer geraten?"
„Ach, das war so", begann Antonius begeistert zu erzählen. „Tellus hatte Besuch. Es waren acht Herren bei ihm. Die lagen auf drei Sofas um den Tisch herum und aßen. Der Türhüter wollte mich nicht reinlassen, da gab ich ihm den Brief und die zehn Sesterzen, und er sagte, ich solle warten. Er ließ mich vor der Tür stehen, und ich war wütend, daß er mich nicht in die große Halle geführt hat. Aber nach ein paar Minuten kam Tellus selber angewackelt mit dem Brief in der Hand. Er ist klein und dick und hat eine Glatze, und auf der Glatze hat er eine große Narbe. Er hatte einen goldenen Lorbeerkranz auf dem Kopf und sah aus wie Bacchus. Er war furchtbar freundlich, drückte mich an sich und sagte, er freue sich, mich kennenzulernen, und bat mich reinzukommen. Ich sagte, ich freue mich auch und schielte nach der Marmorwand hin. Aber Tellus schleppte mich rasch durch mehrere Säle, so daß ich keine Zeit hatte, die Namen zu lesen. Junge, ist das ein Palast! Sowas habt ihr noch nie gesehen. Alles Gold und Marmor und Bilder und Teppiche und hunderte Sklaven, der Kaiser kann nicht mehr haben. Tellus zog mich in einen Saal, wo seine Gäste lagen, und die waren nicht schlecht erstaunt, als er mich anbrachte. Er stellte mich als seinen jungen Freund vor, da taten sie alle plötzlich sehr begeistert und grinsten freundlich. Sie hatten alle Blumenkränze auf dem Kopf und sahen sehr komisch aus. Tellus lud mich zum Essen ein und sagte lachend: ,Ich gebe zwar nur ein Neun-Herren-Essen, aber dann werden wir heute eben mal zehn sein!' Sofort stürzten mehrere Sklaven über mich her, zogen mir die Sandalen aus, wuschen mir die Füße und drückten mir einen Blumenkranz auf. Tellus setzte mich aufs Mittelsofa als Ehrengast, und ein Sklave band mir eine Serviette um, und dann kamen andere Sklaven mit Schüsseln und Tellern und goldenen Löffeln und Messern, und andere Sklaven mit den verrücktesten Speisen, und die Herren lachten, weil idi zuerst nicht wußte, was ich damit anfangen sollte, und sie erklärten mir, was es war, und wie ich es essen mußte, und dann aß ich, weil ich Hunger hatte.
Flamingozungen in Weinsoße und Wildschweinrücken mit Trüffeln und Heuschrecken in Honig und Froschschenkel und Pilze, die in Schnee lagen und ganz kalt waren, und Straußeneieromelett und Antilopenbraten, und dann gab es noch Walnüsse und Äpfel und Trauben und Feigen, und nach jedem Biß wischte mir ein Sklave den Mund ab. Einer gab mir eine Schale mit Wasser; ich dachte, daß ich es trinken muß, aber er flüsterte mir zu, daß ich meine Finger hineintunken solle. Es hat mir großartig geschmeckt. Besonders die Heuschrecken, sie waren ganz knusprig. Tellus sagte mir, daß er nachher über den Brief mit mir sprechen müsse, aber dazu kam es nicht; denn nach dem Essen wurden die Getränke gebracht. Soviel hab' ich in meinem Leben noch nicht getrunken wie heute. Lauter Weine, die ich nicht kannte. Weiße und gelbe, dickflüssige
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