Calendar Girl
Schreckenslaut nicht zurückhalten. Fo hält inne. »Soll ich dich losmachen?«, fragt er. Die Sorge in seinen Worten, der warme Klang seiner Stimme beruhigen mich augenblicklich. Ich schüttele den Kopf und er zieht die Augenbinde fest.
Die Dunkelheit ist absolut. Ich spüre seine Finger, die an mir herumzupfen, meine Haare ordnen, sie über meine Schulter drapieren. Er berührt mein Kinn und dreht meinen Kopf etwas zur Seite. »Schön«, sagt er. »Du siehst so verführerisch aus, Caro.«
Ich schlucke. Seine Finger verweilen noch einen Moment auf meiner Wange, dann zieht er sie zurück. Ich höre seine sich entfernenden Schritte, dann das Geräusch, mit dem er das Stativ verschiebt. Den Auslöser der Kamera. Wieder Schritte, seine Stimme: »Nicht erschrecken.« Er hantiert an den Fesseln, die meine Handgelenke in Kopfhöhe fixiert halten. »Ich strecke deine Arme«, sagt er. »Sag, wenn es unangenehm wird.«
Ich stoße ein Lachen durch das Tape. Wie soll ich das anstellen?
Er zieht an meinen Handgelenken und fixiert sie über meinem Kopf. Ich bin mir überaus deutlich der Tatsache bewusst, dass ich mit nacktem Oberkörper dasitze. Das war nie etwas, was mich gestört hätte, aber in dieser Situation fühle ich mich ausgeliefert und entblößt, als könnte er jetzt in mein Innerstes sehen, und ich weiß nicht, ob es mir gefällt, was er dort entdeckt. Ich beiße die Zähne zusammen. Einmal mit dem Fuß aufgestampft und er erlöst mich aus dieser Situation.
»Sehr schön«, höre ich ihn murmeln. Er klingt aufgeräumt, gut gelaunt und geschäftig. Fokko in seinem Element, über seinen Sucher gebeugt. Dafür halte ich aus.
Sein Handy klingelt. Ich erwarte, dass er es ignoriert, aber er geht wahrhaftig dran und ich höre, wie er »Ach, du bist es«, sagt und »lieb, dass du zurückrufst.« Dann folgt eine längere Pause. Ich höre ihn lachen, tief, irgendwie sexy. »Okay«, sagt er, »gerne. Donnerstag abend? Sehr gerne. Ich habe gerade ein Shooting, Ev, lass uns nachher noch mal ... ja, in Ordnung. Ich freu mich auch.«
Ev? Wer ist Ev?
»Sorry«, ruft er. Dann höre ich wieder den Auslöser. Meine Hände beginnen zu kribbeln und das Tape auf meinem Mund juckt. Ich habe das Gefühl, dass ich keine Luft mehr bekomme. Ich bin müde und habe Durst. Nein, ich habe Angst. Schluss. Ich stampfe auf.
»Noch zwei«, sagt er. Ich verdrehe die Augen. Fokko. Mistkerl.
Eine gefühlte halbe Stunde später ist er an meiner Seite, befreit meine Hände, die ich mir gleich zu reiben beginne, und löst die Augenbinde. Ich blinzele ins grelle Licht. »Du warst toll«, sagt er und löst eine Ecke vom Tape. »Das tut jetzt ein bisschen weh, aber du hast geschwitzt, das ist gut. Dann löst es sich leichter.«
Mit einem Ruck zieht er das Tape ab. Ich stoße einen empörten Schrei aus, denn das hat richtig fies weh getan. Tränen schießen mir in die Augen, mehr vom Licht und von der ausgestandenen Angst als vom Schmerz. Fokko lässt alles fallen, was er in den Händen hält und umarmt mich mit erschrockener Miene. »Scheiße, Caro, so schlimm? Das wusste ich nicht.«
Ich lehne mich an seine Schulter und schniefe ein bisschen. »Nur müde«, sage ich. »Alles gut, Fo. Hast du Creme für mich?«
15
Sie zog die Schuhe aus und ließ sie unter der Bank liegen. Ihr Gesicht war ganz klein und erschöpft. Fokko sah ihr nach, als sie in die Garderobe ging, und bewunderte ein letztes Mal ihren unglaublichen Hintern in dem Latexröckchen. Er hatte ein schlechtes Gewissen ihr gegenüber. Sie hatte gesagt, dass sie aufhören wollte und er hatte sie dazu gebracht, weiterzumachen. Aber die letzten Fotos waren sensationell geworden - wahrscheinlich genau deswegen. Ihre Ausstrahlung war der Hammer. Er wünschte sich, er hätte weitermachen können, die ganze Nacht durch, aber vielleicht war es gut so. Sie hatte ihm versprochen, morgen für ihn zur Verfügung zu stehen. Er würde etwas Leckeres zu essen vorbereiten, Kaffee kochen, Pausen einlegen, in denen sie sich regenerieren konnte ... ein entspanntes, schönes Shooting nur mit Caro. Er freute sich darauf.
»Soll ich uns was kochen?«, rief er. In der Garderobe fiel klappernd etwas zu Boden und er hörte Caro fluchen.
»Nein«, antwortete sie nach einer Weile. »Ich bin verabredet.«
Ein dumpfes, bohrendes Gefühl der Enttäuschung vertrieb die Hochstimmung, die ihn in den letzten beiden Stunden beflügelt hatte. »Schade«, sagte er leise.
Caro schob den Paravent beiseite und sah ihn
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