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Calendar Girl

Titel: Calendar Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Hille
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Gesicht darf nicht zu erkennen sein!«
    Ich höre ihn eine Bestätigung grunzen. Meine Güte, ist er heute wieder schlecht drauf! Als er mir die Corsage schnürte, habe ich seinen Atem gerochen. Er hat getrunken. Nicht, dass ich da irgendwie puritanisch veranlagt wäre, aber es sieht ihm nicht ähnlich. Als ich ihn kennenlernte, habe ich ihn häufiger betrunken als nüchtern erlebt, aber selbst dann war immer unglaublich charmant und witzig und ganz und gar nicht so ein Ekelpaket wie jetzt. Und er hat nie, niemals getrunken, wenn er ein Shooting hatte. Eiserne Regel.
    Es verunsichert mich, dass er gegen diesen Grundsatz verstoßen hat. Ich mache mir Sorgen um ihn.
    »Kommst du?«, ruft er ungeduldig und ich stampfe mit dem linken Fuß auf, zerre am Schaft und stecke endlich in dem glänzenden Stiefel. Es ist nicht ganz einfach, in den Dingern zu laufen, vor allem, wenn man sich obenrum kaum rühren kann. Ich stöckele nach draußen und halte ein Auge auf alle Möglichkeiten, mich festzuhalten, falls ich umkippen sollte.
    Die Bühne ist hell erleuchtet. Eine mit schwarzem Leder überzogene Bank, an der alle möglichen Ketten und Riemen befestigt sind, steht auf dem zerschlissenen dunkelroten Samttuch, das auf Fotos immer aussieht wie ein königlicher Mantel. Im Hintergrund ragt ein Andreaskreuz auf. Was für eine morbide Szenerie! Ich nähere mich dem Mobiliar mit einem unguten Gefühl im Bauch.
    Fo schraubt an seiner Spiegelreflex herum. Ich kenne seine Marotte, immer erst einen kompletten Film zu verschießen, ganz altmodisch, ehe er zur Digitalkamera wechselt. Er braucht das, um ein Gefühl für sein Motiv zu bekommen, hat er mir erklärt. Sein Gesicht ist düster, aber es ist Konzentration, die es verschattet, nicht mehr diese unerklärlich dunkle Stimmung, die ihn seit Tagen wie eine Gewitterwolke begleitet.
    Da er mich ignoriert, entschließe ich mich, einfach mal auf der Lederbank Platz zu nehmen. Ich setze mich und schlage die Beine übereinander. Das fühlt sich seltsam an - immerhin trage ich außer Corsage, Handschuhen und den Stiefeln nichts am Leib - also stelle ich die Füße brav nebeneinander und lege die Hände in meinen Schoß.
    Fo blickt auf und fixiert mich mit starrem Blick. Er nagt an seiner Unterlippe und legt den Kopf nachdenklich auf die Seite. Ich betrachte ihn. Ohne seinen Bart sieht er jünger aus. Er hat ein schönes Kinn, das wusste ich gar nicht. Kräftig. Ich dachte immer, er verdeckt mit dem Bart irgendeinen Makel, aber das ist nicht der Fall.
    »Leg dich hin«, befiehlt er. »Zieh die Beine an. Nein, lass den linken Fuß am Boden. Greif mal nach den Schlaufen rechts und links. Kannst du dich daran festhalten? Ich kippe die Bank gleich ein Stück nach hinten, damit dein Kopf aus dem Bild verschwindet.«
    Er macht die ersten Fotos und ich beginne mich zu entspannen. Das ist alles halb so schlimm. Ich weiß, dass ich in dieser Pose einiges von mir zeige, was ich normalerweise nur unter Freunden zur Besichtigung freigebe, aber die Verkleidung schützt mich auf seltsame Weise. Das bin nicht ich. Das ist eine Frau, die eine schrecklich eng geschnürte Corsage trägt und oberschenkelhohe Stiefel.
    Ich folge Fos Anweisungen wie in Trance. Irgendwann bittet er mich, das andere Outfit anzuziehen und ich gehe wieder in die Umkleide-Ecke. Der »Rock« ist unangenehm auf der Haut und verdeckt nichts. Ich fröstele. High Heels. Nackter Oberkörper. Fo kommt und mustert mich, aber sein Blick ist so nüchtern, dass es mich nicht stört. Er zupft an dem Rock herum, murmelt unzufrieden und reicht mir einen Satz breiter Lederbänder mit Metallringen. Ich sehe ihn fragend an.
    »Handgelenke«, sagt er und zeigt auf die kleineren, »Fußgelenke«, die größeren. Mir ist mulmig, als ich die Manschetten anlege. Was haben die Ringe für eine Funktion? Es sieht nicht nach Schmuck aus.
    Ich stöckele wieder hinaus und sehe, dass Fo die Bank quer gedreht hat. Darüber hängt eine Art Galgen, von dem Ketten und Lederschlaufen herabbaumeln, und er hat das Andreaskreuz dicht an die Bank gerückt.
    Ich sehe Fo an und schüttele den Kopf. »Nein.«
    Er hebt die Brauen. »Caro, du bist doch sportlich. Das wird ein Klacks für dich.«
    »Nein«, sage ich. »Das mache ich nicht. Das ist ekelhaft.«
    Er lächelt, zum ersten Mal in dieser Session. »Du brauchst eine Pause, oder?«
    Ich will widersprechen, aber dann nicke ich. »Hast du Kaffee für mich?«
    Ich hocke mich aufs Sofa und lege mir die Decke um die

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