Calendar Girl
Schultern. Jetzt erst bemerke ich, wie verspannt und müde ich bin. »Fo«, sage ich und lege dankbar die Hände um den warmen Kaffeebecher, »ich glaube, ich bin für heute durch. Können wir den Rest auf morgen verschieben? Ich laufe früh mit Philipp, bin zum Frühstück wieder zu Hause und hätte dann den ganzen Tag Zeit, wenn du möchtest.«
Er verzieht das Gesicht, aber zuckt er die Achseln. »Klar. Danke, dass du überhaupt mitmachst.« Nicht mehr. Er verfällt wieder ins Brüten, ich sehe den Blick, mit dem er nach seinem Glas Ausschau hält. Was ist nur los mit ihm?
»Zeigst du mir was von den Aufnahmen?«, versuche ich ihn abzulenken. Es klappt, in seinem Blick glimmt Interesse auf, Freude über meine Frage. Er steht auf und schließt die Kamera an das Notebook an.
Ich kann nicht behaupten, dass ich die Fotos mag. Es hilft mir, mir vorzustellen, dass eine andere Frau in der Corsage steckt und sich zur Schau stellt. Schamlos, würde Babbo sagen. Allerdings muss ich zugeben, dass sie gut aussieht. »Das hier gefällt mir«, sage ich und tippe auf ein Bild, auf dem ich vornübergebeugt sitze, so dass meine Haare über mein Gesicht fallen und es verdecken.
Er wirft mit einen Blick zu und lächelt. »Das ist mein Favorit«, erwidert er und zeigt auf ein Bild, das meinen Vater ins Grab bringen würde. Ich gluckse und riskiere einen zweiten Blick. Ja. Gut. Es ist ... scharf. Die Frau auf dem Foto zeigt, was sie hat - oder besser gesagt, was das Folterinstrument von Corsage aus dem Bisschen macht, was sie hat. Und der Blick - meine Güte, wie hab ich diesen Blick hinbekommen? Mein Gesicht wird heiß. »Ich glubsche wie eine zweitklassige Pornodarstellerin«, sage ich.
Fokkos schwere, warme Hand liegt auf meiner Schulter. »Nein«, erwidert er ernsthaft, »wie eine erstklassige.« Wir lachen und er nimmt mich in den Arm. »Keine Sorge, das Bild sortiere ich aus, bevor ich die Fotos an die Agentur weitergebe.« Er zupft an seiner Lippe. »Ich würde gerne noch eine Frontalaufnahme von dir in dem neuen Outfit machen. Einfach nur im Sitzen. Kriegst du das noch hin?«
Ich nicke zweifelnd. »Frontal?«
Seine Hand streicht über mein Schulterblatt. »Wir verdecken dein Gesicht, ich hab da eine Idee.« Er lässt mich los und geht zum Requisitenschrank. »Setz dich auf die Bank«, ruft er.
Ich quäle mich wieder auf die Füße und humpele ins Licht. »Die Schuhe sind zu klein«, meckere ich leise.
Fokko richtet die Scheinwerfer neu ein und hockt sich dann zu mir. »Hier«, sagt er und reicht mir eine Karnevalsmaske - Minnie Maus, komplett mit Ohren und rosaweißgepunkteter Riesenschleife.
»Das meinst du nicht ernst«, beschwere ich mich.
Er grinst und zeigt mir, was er noch in der Hand hält: Eine Rolle Gaffer Tape und eine Augenbinde. »Die Alternative.«
Ich runzele die Stirn. »Wie stellst du dir das vor?«
»Gaffer«, sagt er und fährt mit dem Zeigefinger quer über seine Lippen. »Und die Augenbinde. Damit erkennt dich keiner mehr.«
Ich habe da so meine Zweifel, aber ehe ich diese alberne Karnevalsmaske aufziehe, versuche ich lieber die Alternative. Ich kann ja immer noch mein Veto gegen das fertige Bild einlegen.
»Also gut«, sage ich. »Tut das weh beim Abziehen?«
»Ja«, sagt er fröhlich. Ich sehe ihn ungläubig an. Die ganze Zeit ist er stinkig und jetzt auf einmal kommt die Sonne durch? Ich glaube, ich träume!
Ehe ich noch irgendwas einwenden kann, hat er mit ein paar schnellen Handgriffen meine Hände mit den Ledermanschetten an das Kreuz gekettet. Ein heftiges Gefühl der Angst lässt mich kurz erstarren, dann holt mich seine ruhige Stimme aus der Panikattacke. »Lehn dich noch etwas nach hinten«, sagt er. »Schau zur Kamera. Super. Bleib so.« Er reißt einen breiten Streifen Klebeband von der Rolle und fixiert ihn über meinem Mund. Es ist unangenehm, aber ich nicke ihm zu. Weiter. Je schneller er macht, desto eher habe ich das hinter mir. Ich fühle meinen Puls in meiner Kehle ticken, mein Atem geht zu schnell, ich muss aufpassen, dass ich nicht hyperventiliere. Langsam, ruhig, tief atmen, sage ich mir vor. Das ist Fo. Er wird dir kein Leid zufügen. Es hilft.
»Ich verbinde dir jetzt die Augen«, sagt er. »Wenn du es nicht mehr aushältst, dann brauchst du nur mit dem Fuß aufzustampfen und ich befreie dich.«
Mein Atem geht wieder schneller. Es ist ein beklemmendes Gefühl, angebunden und geknebelt zu sein, und als sich die Binde über meine Augen legt, kann ich einen
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