Calendar Girl
und dann verlässt mich meine Kraft mit einem Schlag. Meine Hände sinken herab, ich stürze nach vorne und lande schwer neben Fokko, der zusammengekrümmt am Boden liegt, die Hände vor seinem Bauch zusammengelegt. Er atmet röchelnd, ein schreckliches Geräusch.
Ein Stück von uns entfernt liegt der Troll. Reglos. Ich kann sein Gesicht nicht sehen, er liegt mit dem Rücken zu mir da. Es kann nicht sein, dass ein bisschen Würgen ihn völlig außer Gefecht gesetzt hat, gleich wird er aufspringen und sich wieder auf uns stürzen, aber ich kann nichts machen. Ich liege neben Fokko, hebe meine taube Hand, um seine Wange zu berühren. Seine Augen sind glasig, aber er erwidert meinen Blick, bewegt die Lippen. Ein Speichelbläschen platzt, hinterlässt eine kleine rötliche Spur auf seiner Lippe.
»Fo, bist du verletzt?«, frage ich. Ich richte mich auf, komme mühsam in die Hocke und sehe, dass er den Griff eines Messers umklammert, das in seinem Bauch steckt. Es blutet kaum. Der Schreck fährt mir prickelnd durch die Glieder. Ich greife unwillkürlich nach dem Messergriff, aber Fokkos Hand schießt vor und umklammert mein Handgelenk. »Nicht«, sagt er mühsam. Der Atem zischt über seine Lippen, das Sprechen tut ihm weh. »Lass. Zugestöpselt.«
Ich starre ihn an, dann begreife ich und nicke. Er lässt mich los, seine Hand fällt herab. Er schließt die Augen.
Ich liege noch einen Moment da, streichle sein Gesicht, höre seinen mühsamen Atem, sammele mich für eine letzte Anstrengung. Ich muss telefonieren, ehe Jason wieder auf uns losgeht. Ich müsste ihn irgendwie fesseln, aber wie soll ich das machen?
Dann fällt es mir ein und ich lache über mich selbst. Mein Gehirn läuft anscheinend gerade auf Sparflamme.
Ich raffe mich auf, komme auf die Füße und stütze mich an der Wand ab. Schwach wie ein neugeborenes Lamm, aber hoffentlich kein hilfloses Opfer. Ich krieche mehr, als ich gehe, bis ich den Schrank mit den Requisiten erreicht habe. Anscheinend hat mein Gehirn ohne mich beschlossen, dass wir uns erst um den Troll kümmern müssen, bevor wir telefonieren. Ich denke kurz darüber nach und krame derweil im Schrank herum, bis ich ein paar Fesseln gefunden habe, die nicht nach Show, sondern nach echter Funktion aussehen. Meine Finger sind immer noch taub, aber jetzt kehrt langsam Gefühl in sie zurück und das ist fast noch unangenehmer. Ich ignoriere das Stechen und Kribbeln, ignoriere Fokkos Stöhnen, ignoriere meine Schmerzen und meine Angst und tappe weiter zum Tisch. Mein Handy. Ich muss Elli alarmieren, einen Notarzt, am besten ein paar Scharfschützen, falls der Troll seine Fesseln sprengt, was ich für absolut möglich halte. Ich habe nie in meinem Leben eine solche Angst verspürt wie vor diesem Mann.
Das Handy schmiegt sich in meine Handfläche, es erscheint mir leichter als sonst. Ich betätige den Einschaltknopf, aber nichts tut sich. Ich drücke fester, fluche, drehe das tote Ding in meiner Hand herum. Die Schale sitzt schief und nicht ganz geschlossen auf dem Gerät. Ich ahne, warum. Der Böse Troll hat das Akku entfernt. Mit einem gewisperten Fluch - zu mehr reicht es nicht mehr - werfe ich das unnütze Gerät zurück auf den Tisch. Dann muss ich eben in die Wohnung kriechen und von dort telefonieren.
Aber zuerst fesseln wir den Troll, Caro. Schön gründlich und fest, damit er uns nicht noch mehr antut.
Er regt sich, als ich seine Schulter berühre. Ich überwinde meinen Ekel und meine Angst und packe beherzt zu, drehe ihn auf den Rücken und greife nach seinen Handgelenken, um die Schellen darum zu schließen. Das Gleiche will ich mit seinen Füßen machen, dann kommt noch die Kette, die alles miteinander verbindet und ihn an die Heizung fesselt. So wäre der Plan.
In Wirklichkeit funktioniert das alles nicht. Ich schaffe es, seine Handgelenke in Fesseln zu legen, auch wenn sie arg eng sitzen, aber die für die Füße gehen nicht zu. Das sind Fesseln für Frauen, Fokko fotografiert keine männlichen Akte.
Mist. Ich schwitze inzwischen wie in der Sauna und der Troll bewegt sich stärker. Seine Augenlider flattern, seine Hände zerren an den Fesseln. Ich greife hastig nach der Kette, schließe sie mit dem Karabiner an und befestige sie an der Heizung. Das Ganze sieht nicht sehr haltbar aus, aber vielleicht bremst es ihn wenigstens ein bisschen, bis ich etwas anderes gefunden habe, womit ich ihn fixieren kann. Schlimmstenfalls hole ich die Kasserolle, die bei Fokko so durchschlagend
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