Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
ihr abhanden gekommen zu sein, genauso wie das Vermögen zu atmen oder auch nur zu denken. Sie musste heftig schlucken, ehe sie herausbrachte: „Was für eine Frage?“
„Die wichtigste Frage von allen.“
23. KAPITEL
F ranklin Cabot hob sein Weinglas und strahlte Abigail auf eine Weise an, die ihr vollkommen neu war. In der Vergangenheit hatte er sich freundlich und sogar tolerant gezeigt, sie mit pflichtgemäßer Zuneigung und manchmal, wenn dies gerechtfertigt war, sogar mit Bewunderung betrachtet. Nun indes bot er ihr die aufrichtige Achtung und Aufmerksamkeit, die sie sich ihr ganzes Leben lang erhofft hatte.
Sie hob ihm ihr Glas ebenfalls entgegen, und Helena tat es ebenso; nach Leutnant Butlers Fortgang speisten die drei feierlich zu Abend.
„Auf meine außergewöhnlich kluge Tochter!“ rief der Senator begeistert und zugleich ein wenig ungläubig aus. „Auf die zukünftige Braut! Ich bin ja so stolz auf dich, meine Liebe.“
Abigail versuchte, ihren Triumph zu genießen, und stellte ihr Weinglas exakt zwischen Salzfässchen und Fingerschale ab. Nun war alles doch so gelaufen wie geplant - zumindest hatte sie den Weg in das Herz ihres Vaters gefunden.
„Und auf meine noch klügere Schwester“, fügte sie hinzu und schaute Helena an. „Ohne dich wäre dies alles nicht geschehen.“
Helena lächelte unbekümmert und stellte ihr Glas ab, ohne den Wein gekostet zu haben. „Du warst immerhin diejenige, die die Briefe schrieb.“
„Doch dich wollte er anfangs besuchen.“ Abigail hatte natürlich keine Ahnung, was zwischen ihrer Schwester und dem Leutnant gesprochen worden war, allerdings wusste sie genau, dass Helena ungemein überzeugend sein konnte, wenn sie wollte. Sie war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte, dass ihre Schwester Leutnant Butler klargemacht hatte, dass er sie, Abigail, liebte. Wäre es nicht viel romantischer, wenn sich ein Mann aus eigenem Willen verliebte?
Angesichts ihres Triumphes war es indes sicherlich töricht, sich wegen solch eines nebensächlichen Details in Wortspaltereien zu ergehen.
„Ihr beide seid wirklich ein bemerkenswertes Team“, stellte der Senator fest. „Ihr hättet euch bereits Vorjahren zusammentun sollen, bei Gott.“
„Vergiss nicht Mr. Calhouns Rolle hierbei“, erinnerte Abigail ihn in einem plötzlichen Anfall von Loyalität. Sie hatte schließlich versprochen, Jamies Anliegen bei ihrem Vater zu vertreten.
„Richtig“, pflichtete Cabot bei. „Der Mann hat dir mehr Gutes gegeben als ein ganzes Schuljahr.“ Lächelnd stellte er sein Weinglas ab und machte sich dann über die dicken Schinkenscheiben mit dem Butterkürbis her, den Dolly in jedem Herbst reichlich zubereitete.
Abigail konnte es noch immer nicht so ganz glauben, und möglicherweise war es auch gar nicht geschehen. Sie, Abigail Beatrice Cabot, würde Boyd Butler III. ehelichen! Zunächst hatte sie ihn nur wie ein törichtes kleines Mädchen von fern geliebt, so wie man einen Helden verehrt, danach mit der unerschütterlichen Glut einer erwachsenen Frau, und jetzt endlich durfte sie ihn aus dem vollen Herzen einer Ehegattin lieben. Mehr noch, sie hatte ihrem Vater Freude bereitet, und das verlieh ihrer Glückseligkeit den perfekten Glanz.
„Ich habe dir tatsächlich zu danken, Helena.“ Abigail stocherte in ihrem Essen herum, rührte es jedoch kaum an. „Wenn du nicht gewesen wärst, hätte er nie ..."
„Jetzt ist es aber genug mit deinen Danksagungen und deinem Applaus für meine angebliche Klugheit!“ Helena lachte, doch ihre Heiterkeit schien ein wenig bitter. „Es ist doch alles hervorragend ausgegangen. Du liebst den Mann, ich nicht. Und jetzt hat er die richtige Schwester bekommen. Du und der Leutnant hättet am Ende auch ganz ohne fremde Hilfe eure gegenseitige Zuneigung entdeckt. Die Liebe findet immer ihren Weg“, fügte sie mit sanfter Stimme hinzu. „Das kann niemand erzwingen, sosehr man es sich auch wünschen mag.“
Dachte Helena dabei an Michael Rowan? Bedauerte sie, dass sie ihn liebte, oder genoss sie es?
„Mr. Calhoun würde dir hier sicherlich widersprechen“, meinte Abigail und schnitt ihren Schinken in genau neun gleiche Teile. „Er ist der Meinung, Liebe sei ein strategisches Spiel. Er drängte mich dazu, Leutnant Butler mit systematischen Zügen zu gewinnen. Glaubst du das auch, Vater? Glaubst du, dass man Liebe durch Logik und Strategie auslösen kann?“
Der Senator lächelte nachsichtig, und ein sanfter, in weite Fernen
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