Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
Leben ginge weiter. Doch mit Vernunft war ihrem Schmerz nicht beizukommen. Er überschwemmte sie wie eine große schwarze Woge und machte ihr deutlich, dass sie sich nach etwas sehnte, das niemals sein durfte.
Das Rascheln der Blätter und ein männliches Räuspern verrieten ihr, dass Jamie Calhoun zurückgekehrt war. Dieser Schuft! Jetzt hatte er wahrscheinlich ein schlechtes Gewissen, und das sollte er auch haben.
„Ich sagte doch, Sie sollen verschwinden!“ Abigail hatte sich abgewandt und senkte den Kopf, denn sie wollte nicht, dass er sie so sah. „Damit meinte ich auch, Sie sollten nicht zurückkommen.“
„Das ist ein wenig merkwürdig, denn in Ihrem letzten Brief baten Sie mich, zu Ihnen zu kommen.“
Abigail erstarrte, und die feinen Härchen in ihrem Nacken sträubten sich. Großer Gott, das war ja er - Boyd Butler!
Sie wusste beim allerbesten Willen nicht, was sie jetzt sagen sollte. Mit fest zugedrückten Augen betete sie zu jeder ihr bekannten Gottheit, der Erdboden möge sich auftun und sie in einem Stück verschlucken. Leider jedoch wurden ihre Gebete nicht erhört, und so blieb sie in ihren Tränen aufgelöst auf der Gartenbank sitzen und wischte sich verstohlen über die Wangen.
Schließlich zwang sie sich dazu, aufzustehen und ihm gegenüberzutreten. Wie ein Zinnsoldat sah er aus mit seiner Galauniform, dem unter den rechten Arm geklemmten Dreispitz, den goldbetressten Epauletten, dem Säbel an seiner Seite und dem perfekt gestutzten Schnurrbart. Nur das kleine Blumenbukett, das er ihr entgegenhielt, passte nicht ganz zu seiner militärischen Haltung.
Als er ihr Gesicht sah, verlor er ein wenig die Fassung. „Ich bitte um Vergebung“, stammelte Leutnant Butler. „Ich suchte Miss Abigail Cabot.“
Abigail wurde die Ironie des Augenblicks bewusst. Hier stand sie nun dem Mann gegenüber, dem sie geschworen hatte, ihn zu lieben, bis die Sterne vom Himmel fielen, dem Mann, dem sie so schrecklich persönliche Briefe geschrieben hatte, die angefüllt waren mit jeder zärtlichen Emotion, deren sie fähig war - und er erkannte sie nicht einmal!
Trotz ihres Schmerzes brachte sie ein kurzes Lachen zu Stande. Unbewusst tastete sie mit der Hand nach dem neuen Halsschmuck und fühlte das Sternbild. „Ich bin nicht sicher, ob ich für die alte Abigail beleidigt sein oder ob ich mich für die neue Abigail geschmeichelt fühlen soll.“
Boyd Butler blinzelte kurz und riss dann die Augen auf. „Miss Abigail! Ich habe Sie nicht er... äh, Sie sehen ausnehmend ... äh, das heißt..."
„Nun ist’s genug.“ Abigail beschloss, ihn zu retten. „Ich nehme das Kompliment entgegen.“
Eine dunkle Röte stieg unter seinem gestärkten Kragen auf. Er trat von einem Fuß auf den anderen, wobei er ihr weiterhin den Blumenstrauß entgegenhielt.
Abigail musste ihn wohl oder übel annehmen, und dann musste sie ebenso wohl oder übel niesen. Sie warf das Bukett von sich, suchte nach einem Taschentuch, fand jedoch keines und nieste noch einmal in das Ende ihrer Rockschärpe.
„Es tut mir Leid“, entschuldigte sie sich, und ihre Augen schimmerten wässrig. „Auf verschiedene Arten von Blumen reagiere ich bedauerlicherweise immer so.“ Als sie wieder klar sehen konnte, schaute sie in sein schönes, ernstes Gesicht. „Das ist jedoch nicht die Entschuldigung, die Sie hören wollten, nicht wahr? Ich weiß allerdings nicht, wie ich anfangen soll.“
„Dann lassen Sie mich damit beginnen. Als ich von Ihrer Täuschung erfuhr, wollte ich zuerst sofort nach Annapolis zurückeilen und mich zur Patrouillenfahrt nach den Kanarischen Inseln einschiffen. Ihre Schwester überzeugte mich jedoch davon, es mir noch einmal zu überlegen.“
„Dann sind Sie also auf Anraten meiner Schwester hier?“
„Ich bin hier, weil ich es selbst so wollte. Dies ist eine Angelegenheit zwischen Ihnen und mir“, meinte er, „und ich werde nicht gehen, bevor wir sie geklärt haben.“
„Da gibt es nichts zu klären“, erwiderte sie und stockte plötzlich. Ihre Stimme zitterte, und es war ihr entsetzlich peinlich.
„Ich heirate Ihre Schwester nicht“, stellte er klar. „Ich möchte, dass Sie das wissen.“
Vater wird bitter enttäuscht sein, war ihr erster Gedanke; und selbstverständlich wollte sie die volle Verantwortung übernehmen. „Leutnant Butler, ich schäme mich unsäglich und bedaure alles, was geschehen ist.“
„Sagen Sie das bitte nicht, Miss Cabot ... meine Teuerste.“ Die Fäuste hielt er fest geballt an
Weitere Kostenlose Bücher