Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
Geisteskranken quälten. Blutrausch war ein sehr menschlicher Charakterzug. Jamie hatte die Auswirkungen unzählige Male selbst mit angesehen, und das war keineswegs hübsch, doch höchst real gewesen.
Butler lachte wie ein Schuljunge und beugte sich hinunter, um einen blutigen Fischkopf besser betrachten zu können.
Glücklicherweise war die Demonstration bald beendet, doch dann geschah etwas Merkwürdiges. Das lebhafte Interesse der Gäste richtete sich nicht mehr auf den Glastank, sondern auf Boyd Butler und Abigail. Plötzlich drängten sich alle heran, weil sie unbedingt die Bekanntschaft mit Washingtons neuester „Zukünftiger“ machen wollten. Für einige von ihnen war das eine reine Frage der Höflichkeit, doch die meisten Gäste wollten sich bei den Vätern des jungen Paars einschmeicheln.
Während sich die Menschen herandrängten, alle gleichzeitig redeten und dem glücklichen Paar per Handschlag gratulieren wollten, verschwand Abigail. Weil sie so klein gewachsen war, fiel es ihr nicht weiter schwer, mitten in der lärmenden Menge unterzutauchen.
Jamie, der das Geschehen vom Rande der Gruppe aus beobachtete, ahnte, dass der ganze Aufruhr nicht gut für die gesellschaftlich hilflose Abigail war, doch wie konnte er sie jetzt noch beschützen, nachdem er sie an Butler übergeben hatte?
Er wandte sich gerade rechtzeitig ab, um Helena am Arm des Senators Troy Barnes aus New York eintreffen zu sehen. Der Mann bewegte sich so steif und gerade aufgerichtet wie ein Paradesoldat. Er war beinahe unanständig reich und hoffnungslos in Helena verschossen, was diese offenbar nicht interessierte, denn sie dachte ausschließlich an Michael Rowan. Nachdem Abigail sie ihrer Pflicht enthoben hatte, angemessen heiraten zu müssen, träumte Helena wahrscheinlich von einer wirklichen Liebesheirat zwischen sich und Rowan.
Wie Abigail war auch Helena noch immer so naiv zu glauben, dass es ohne Liebe keine Erfüllung gäbe, und wie Jamie wusste auch der Professor, dass einige Dinge einfach unmöglich waren. Ein mittelloser Gelehrter aus Georgetown, der nicht einmal einen nennenswerten Stammbaum vorzuweisen hatte, war kein passender Ehepartner für die Tochter eines Franklin Cabot; falls man ihn mit einem Forschungsauftrag und einem großzügigen Gehalt köderte, würde Rowan Georgetown bald den Rücken kehren und an einer Universität in Barnes’ Heimatdistrikt lehren.
„Wie fanden Sie das?“ erkundigte sich Helena. Sie hatte sich von Barnes gelöst und kam nun mit zwei Champagnergläsern auf Jamie zu. „Hat Ihnen diese schwachsinnige Fütterung der Raubtiere gefallen?“
Jamie stürzte den Champagner mit einem Zug hinunter. „Welche meinen Sie?“
Helena nippte an ihrem Glas. „Schaurig, nicht? Ich fürchtete beinahe, dass von meiner Schwester auch nur ein Skelett übrig bleibt, wenn sich die Meute verzogen hat.“
„Ihr wird nichts geschehen. Sie ist erheblich stärker, als sie aussieht.“
„Versuchen Sie mich oder sich selbst davon zu überzeugen, Mr. Calhoun? Ich glaube, Sie fühlen sich schuldig.“
„Wieso sollte ich?“
„Weil Sie ein Gewissen besitzen, sosehr Sie es auch verbergen wollen. Ich kann Ihnen versichern, falls man Abigail auch nur im Geringsten verletzt, dürfte es Ihnen sehr Leid tun, dass Sie die Cabot-Frauen jemals gesehen haben.“
Er beäugte sie, als suchte er auch bei ihr die Haifischzähne. „Waren Sie nicht diejenige, die Leutnant Butler einredete, er habe sich in Abigail verliebt?“
„Richtig, doch die Romanze geht auf Ihr Konto, und falls jetzt irgendetwas danebengeht, werde ich Sie dafür verantwortlich machen.“
„Ist das der Dank dafür, dass ich Ihrer Schwester half, sich den Mann ihrer Träume einzufangen?“
„Sie scheinen sich ja sehr sicher zu sein, dass Leutnant Butler der Mann ihrer Träume ist.“
„Das ist er ja auch. Sie hat es mir selbst gesagt.“
„Meine Schwester ist eine sehr kluge Frau. Manchmal ist sie allerdings blind für Dinge, die ganz offensichtlich sind.“
„Was soll das heißen?“
„Anfangs war ich mir ebenfalls sicher, dass sie den Leutnant liebt, jetzt jedoch habe ich da so meine Zweifel. Falls sie leidet, werden Sie dafür bezahlen!“
Jamie lachte leise. „Da müssen Sie sich hinten anstellen, Helena. Nachdem ich mich im Kongress gegen die Eisenbahngesellschaften stellte, scheinen sich meine Gegner verdoppelt zu haben.“
„Selbstverständlich haben sie das. Die Eisenbahngesellschaften halten die Unterstützung meines
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