Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
sie keuchte, als würde sie ertrinken. Sie flüsterte etwas in einer fremden Sprache, und dann äußerte sie etwas höchst Merkwürdiges; in perfektem Internatsenglisch sagte sie: ,Ich dachte, du seist tot.“ Da wurde allen klar, dass Mr. Calhoun eine recht bewegte Vergangenheit gehabt haben musste. Sogar von weitem sah ich, dass nicht nur eine oberflächliche Freundschaft die beiden verband. Die Luft kochte richtig vor Leidenschaft. Mr. Doyle meinte, Jamie sollte seinerzeit hingerichtet werden und sei in letzter Minute mit seinem nackten Leben geflohen. Stell dir nur vor, Abigail - das muss ja wohl die wildeste Romanze aller Zeiten gewesen sein!“
Abigail sagte sich, dass Jamie selbstverständlich eine Vergangenheit hatte; er war schließlich nicht einfach vom Himmel gefallen. Und natürlich hatte er eine Menge erlebt. Doch niemals hätte sie sich vorgestellt, es könnte sich um eine Liebesaffäre mit einer ausländischen Prinzessin gehandelt haben.
Sie ging zur Tür, wobei sie nicht allzu sehr zu humpeln versuchte. „Nun, mit Sicherheit geht mich Mr. Calhouns romantische Vorgeschichte nichts an. Und jetzt wartet Leutnant Butler.“
Abigail bemühte sich, so zu tun, als interessierte Jamies aufregende Vergangenheit sie nicht, doch sobald sie in die vergoldete Halle getreten war, suchte sie nach der Prinzessin. Es war unmöglich, die adelige Dame und den Fürsten zu übersehen, denn die beiden wirkten ungeheuer exotisch, wenn auch seltsam altmodisch und steif, während sie den anderen Gästen vorgestellt wurden.
Die Prinzessin trug ein fantastisches Gewand aus blauer Seide, das sie wie ein Geheimnis zu umhüllen schien. Pumphosen aus dem gleichen Stoff lugten unter dem Gewand hervor, und goldener Schleierstoff lag um ihre Schultern. Sie hatte Schmuck in der Nase, schwarz umrandete Augen und scharlachroten Lack auf den Fingernägeln. Abigail fand sie wunderschön, obwohl sie etwas Hypnotisierendes gleich einer Kobra an sich hatte.
Hoffentlich merkt man mir meine Furcht nicht an, dachte sie, als Boyd sie den hohen Gästen vorstellte, und sank in einen eingeübten Hofknicks. Die Prinzessin murmelte nicht mehr als einen höflich klingenden Gruß, und der Fürst nickte ihr hoheitsvoll zu; er hielt sich dabei so gerade wie ein Ladestock und zeigte die militärische Haltung eines wesentlich Jüngeren.
Jamie war nirgends zu sehen. Das war wieder einmal typisch für ihn - zu verschwinden, wenn sie eine Spur von seiner Größe und Wichtigkeit entdeckte!
Das hohe Paar bewegte sich weiter, um mehr Gäste zu begrüßen. Boyd und ihr Vater hielten Schritt mit den beiden und gingen hinter ihnen her, als wären sie ein Teil ihres Gefolges. Abigail blieb zurück.
Sie blieb jedoch nicht lange allein. Nancy Wilkes, deren hübsches Gesicht strahlte, umarmte sie leicht. „Abigail, meine Liebe, ich habe dich seit meiner Hochzeit nicht mehr gesehen! Wer hätte gedacht, dass es mehr ist als ein Partyspaß, wenn man einen Brautstrauß auffängt? In deinem Fall hat es ja geklappt. In dem Augenblick, da du das Bukett fingst, drehtest du dich um und begegnetest dem Mann deiner Träume. An jenem Abend muss Magie im Spiel gewesen sein!“
Soweit sich Abigail erinnerte, war sie aus dem Saal gelaufen und hatte Jamie Calhoun gesehen, der gerade die Schwester des Präsidenten verführte. Sie wünschte nur, sie könnte glauben, dass tatsächlich Magie am Werk gewesen war. Allerdings wusste sie, dass alles nur auf berechneter Manipulation beruhte.
Sie sollte Jamie möglicherweise dafür dankbar sein, dass er ihr den Schleier des Selbstbetrugs von den Augen gerissen hatte. Weshalb sollte sie an die wahre Liebe glauben? Geschick und Raffinesse hatten sich schließlich als wesentlich zuverlässiger bei ihrer Jagd auf Leutnant Butler erwiesen.
„Wie schön, dir wieder zu begegnen, Nancy. Unsere Gespräche haben mir sehr gefehlt.“
Nancy war eine Musterstudentin auf Miss Blandings College gewesen; sie und Abigail hatten oft zusammen gelernt. Nancys großes Interesse an der Astronomie hatte sie befähigt, Sternkarten zu berechnen und zusammenzustellen.
„Wie kommen deine Beobachtungen voran?“ erkundigte sich Abigail, hakte sich bei der Freundin ein und schlenderte mit ihr im großen Saal des Aquariums herum.
„Welche Beobachtungen?“
„Die der Sterne natürlich. Du hast dich doch nach dem College immer noch brennend für die Astronomie interessiert.“
„Ja schon, doch um ehrlich zu sein - ich hatte keinen Moment Zeit, um
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