Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
noch diese Tuscheleien im Ohr hatte.
Diese Bemerkungen hätte sie gar nicht hören sollen, doch sie wusste ganz genau, dass sie hier das Ziel der Spekulationen und der Kritik war. Sie hatte jemanden sagen hören, Leutnant Butler heirate sie nur ihres Vermögens und ihres Vaters wegen.
Aber von solchen spitzen Bemerkungen wollte sie sich auf keinen Fall ihre Glückseligkeit trüben lassen. Sie war schließlich jetzt nicht mehr das unbeholfene Mauerblümchen, das sich durch Nancy Wilkes’ Hochzeitsempfang gequält hatte. Seit jenem demütigenden Vorfall war sie von dem niesenden, reizlosen Fleck auf der weißen Weste ihres Vaters zu der Verlobten des begehrtesten Junggesellen Amerikas aufgestiegen.
Das Dumme war nur, dass ihr nicht klar gewesen war, wie viel Zeit und Energie es kostete, anmutig und bezaubernd zu sein.
Einer der irritierendsten Aspekte des Abends war natürlich James Calhoun. Äußerst genau und wachsam beobachtete er jede ihrer Bewegungen, und zwar nicht, weil ihm etwas an ihr liegen würde; nein, sie war nur der Gegenstand eines gemeinen gesellschaftlichen Experiments, welches ein Mann durchführte, den es köstlich amüsierte, das scheinheilige Verhalten der High Society zu beobachten.
Doch genau wie ein Himmelskörper unweigerlich von der Schwerkraft eines größeren angezogen wird, vermochte auch sie sich dem nicht zu widersetzen. Sie mahnte sich, dass die Anziehungskraft, die stets dann in der Luft lag, wenn sie und Jamie zusammentrafen, nichts weiter als eine Illusion war.
Sie warf einen Blick in den Spiegel. Genau so wie die hübsche, bezaubernde Lady, die ihr entgegenschaute, nur eine Illusion war, so war auch seine auf sie gerichtete Aufmerksamkeit eine Täuschung, ebenso ärgerlich wie der Spezialschuh, den sie an ihrem missgebildeten Fuß trug.
Zu ihrer Bestürzung öffnete sich die Tür zum Waschraum, und ein Wirbelwind in Seide platzte herein. Erleichtert stellte sie fest, dass es sich um ihre Schwester handelte.
„Das hättest du sehen sollen, Abigail!" rief Helena und blieb vor dem goldgerahmten Spiegel stehen, der eine ganze Wand des Raums bedeckte.
„Was hätte ich sehen ...?“
„Seine Miene war einfach zu köstlich!“
„Wessen Miene?“
„Jamie Calhouns! Endlich erhalten wir einen Hinweis auf seine rätselhafte Vergangenheit und das berühmte Geheimnis, das er uns so lange vorenthielt!“ Helena brachte eine ihrer kupferfarbenen Locken wieder in Ordnung.
Abigail blickte das Spiegelbild ihrer Schwester finster an. „Was für eine Vergangenheit? Welches Geheimnis?“
„Ah, dann hast du es also noch nicht gehört. Du warst ja so beschäftigt mit all der Pracht und Herrlichkeit. Du wirst mir fehlen, Abigail“, fügte sie sehnsüchtig seufzend hinzu. „Ich freue mich natürlich für dich, doch wir beide haben uns als Schwesternpaar immer so wohl gefühlt, bis Leutnant But...“
„Also, wovon sprichst du eigentlich?“ Abigail verlor langsam die Geduld bei Helenas Redefluss.
„Nun, von Jamie Calhoun.“
Fürchterliche Panik ergriff sie. Sie sprang von der Bank auf und fasste ihre Schwester beim Arm. „Was ist mit ihm? Ist Jamie etwas zugestoßen?“
Helena blickte überrascht auf Abigails Hand, die sie umklammerte. „Ich ahnte ja gar nicht, dass du dich so leidenschaftlich um ihn sorgst.“
Sofort ließ Abigail ihre Schwester los. „Das tue ich ganz gewiss nicht. Doch was ist geschehen? Hat er sich irgendwie verletzt?“ Obwohl es Jamie vor einem Moment noch recht gut zu gehen schien, dachte sich ihr Geist eine ganze Reihe von Schrecken aus - vom Reitunfall bis zur Kneipenschlägerei.
„Es sieht so aus, als hätte unser Mr. Calhoun eine geheime Vergangenheit, und die ist heute Abend ans Licht gekommen.“
„Ach ja?“ Abigail dachte an jene Nacht, in der sie Caroline Fortenay vor Begeisterung stöhnend in Jamies Armen vorgefunden hatte. Gab es etwa noch einen Zeugen für diesen Vorfall? Lieber Himmel, möglicherweise hatte Horace Riordan Jamie zum Duell gefordert!
„Es war ja so dramatisch!“ erzählte Helena weiter und drehte sich dabei hin und her, um sich von jeder Seite bewundern zu können. „Hereinspaziert kommt also diese fremdländische, einfach wundervolle Prinzessin mit ihrem Ehegatten, der direkt aus Tausendundeiner Nacht entsprungen wäre, wenn er auch noch ein Krummschwert getragen hätte. Als sie Jamie sah, wäre sie fast in Ohnmacht gefallen.“
„Wer ist fast in Ohnmacht gefallen?“
„Na, die Prinzessin. Ich kann dir sagen,
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