Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
Wirbel der Hochzeitsvorbereitungen erfasste Abigails gesamtes Leben. Ihr Vater und Boyds Mutter hatten dafür gesorgt, dass dieses Ereignis zu einem Nationalfeiertag ausuferte. Jedes Gespräch drehte sich um Speisen- und Getränkelieferanten oder um Blumenschmuck; bei jeder hitzigen Debatte ging es um Gästelisten oder Musiker.
Nachts fiel Abigail dermaßen erschöpft ins Bett, dass sie nicht mehr an ihren Observationen oder Berechnungen arbeiten konnte. Sie starrte an die Decke in ihrem Schlafzimmer. Falls ich nicht Acht gebe, kommt der Komet, den ich erwarte, ohne dass ich ihn bemerke, dachte sie, und ich verpasse ihn nur, weil ich viel zu sehr damit beschäftigt bin, mir die Zuchtperlen für meinen bräutlichen Morgenrock auszusuchen!
Sie sagte sich, dass dies doch die glücklichste Zeit ihres Lebens sein sollte; ihr Vater barst schier vor Stolz, ihre Tage waren voller Pläne, und ein Kindertraum würde nun bald wahr werden. Trotz alledem nagte etwas an ihr; sie merkt e, dass sie immer wieder an Ja mie Calhoun und die fremdländische Prinzessin dachte.
Trafen die beiden sich jetzt? Hatte er seine Beziehung mit ihr wieder aufgenommen? Der Gedanke daran, dass er eine andere Frau in den Armen hielt und sie so küsste, wie er sie, Abigail, geküsst hatte, verdüsterte ihre Welt. Ich muss damit aufhören, mir seinetwegen den Kopf zu zerbrechen, mahnte sie sich streng. Sie brauchte etwas Beruhigendes. Sie musste sich vergewissern, dass Boyd und sie wirklich für das gemeinsame Glück bestimmt waren.
Eines Nachts bat sie ihn in einem Brief um seinen Besuch. Sie wollte mit den beiden Dingen allein sein, die sie am meisten liebte: dem Nachthimmel und ihrem Verlobten.
Schriftlich verstanden sie sich immer am besten, und so traf seine begeisterte Antwort auch postwendend ein: „Ich schicke Ihnen eine liebevolle Umarmung über die vielen Meilen hinweg, die uns trennen, und ich freue mich schon auf den Augenblick, da ich Sie endlich wirklich in den Armen halten darf. Ich komme sofort.“
An dem vereinbarten Abend gab sich Abigail ganz besondere Mühe mit ihrem Äußeren. Das Haar ringelte sich sanft um ihr Gesicht, statt nachlässig zu einem schiefen Zopf geflochten zu werden, und sie legte eines ihrer neuen Gewänder an, das aus tiefblauer Marinowolle gefertigt war und anmutig bis auf den Boden hinabfiel, statt ihre Figur einzuschnüren.
Als sie sich im Spiegel betrachtete, fragte sie sich, weshalb sie sich um modische Dinge erst dann gekümmert hatte, nachdem sie von Madame Broussard darauf hingewiesen worden war. Das sind so einfache Dinge, merkte sie, Dinge, die eine Mutter ihre Tochter lehren könnte.
Abigail hatte schon so lange ohne Mutter auskommen müssen, dass ihr deren Abwesenheit gar nicht mehr auffiel. Sie fragte sich, an welchen anderen, wichtigeren Dingen es in ihrer Erziehung wohl noch gemangelt haben mochte.
Als sie am Fenster stand und sah, wie Boyd eintraf, fühlte sie eine Welle der Erwartung. Dies war es, was sie brauchte - Zeit mit ihm allein, um ihm zu zeigen, was für sie wichtig war. Dadurch würde ihr Leben wieder ins Gleichgewicht kommen.
Dolly öffnete ihm die Tür, verzog sich dann jedoch rasch in ihr eigenes Zimmer, das auf den rückwärtigen Garten hinausging.
Boyd blieb mitten im Salon stehen und sah liebenswert verblüfft aus. „Bleibt sie denn nicht, um unsere Anstandsdame zu spielen?“
„Benötigen wir denn eine?“ Abigail wünschte sich fast, er würde andeuten, dass es so war.
„Selbstverständlich nicht. Ich würde kein einziges Haar auf Ihrem Kopf entehren, meine liebe Miss Abigail. Doch ich muss schon sagen, dies ist recht ungewöhnlich - ein Treffen zu einer so späten Stunde.“
„Die Sterne richten sich nicht nach den schicklichen Besuchsstunden“, erklärte Abigail und ging dann voraus aufs Dach. Sie hoffte inständig, Boyd möge nicht auf ihre Füße schauen. Als sie seinerzeit diese Sorge einmal Madame Broussard gegenüber erwähnte, hatte die Französin gesagt: „Tiens, ein Mann wird doch nicht ausgerechnet auf die Füße einer Dame schauen!“
Abigail hoffte nur, dass die Modeschöpferin damit Recht hatte. Auf dem Dach war es kalt, und der Atem formte gespenstische Wölkchen in der Luft, während Abigail Boyd die Kammer unter der Kuppel zeigte, in der sich das Teleskop befand, das ihr ganzer Stolz und ihre Freude war.
„Das ist es also“, erklärte sie. „Mit den Sternen habe ich mehr Zeit verbracht als mit der großen Gesellschaft.“
„Das werden
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