Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
waren. Er selbst stellte sich als ein Gentleman vom Lande dar, doch die Zeitung befasste sich hauptsächlich mit seinem blendenden Aussehen, seinem verbindlichen, weltmännischen Auftreten, seinem Ruf auf dem Gebiet der Rennpferdezucht und natürlich mit der Tatsache, dass er unverheiratet war. Dass er als Abgeordneter vor kurzem in den Kongress gewählt worden war, schien nicht so wichtig zu sein wie sein mysteriöser Charme.
Gedankenverloren faltete Abigail die Zeitung genau in der Mitte, faltete sie dann noch einmal und strich mit dem Daumen über den Knick. Sie richtete das Blatt exakt nach der Tischdecke aus und stellte dann das Salzfässchen genau in die Mitte der Spitzentischdecke.
Helena beobachte sie liebevoll amüsiert. „Wie um alles in der Welt bist du nur so pingelig geworden?“
Da Abigail es selbst nicht wusste, schwieg sie. Abgesehen von ihrer verblüffenden Sehkraft besaß sie einen ausgeprägten Sinn für räumliche Verhältnisse. Eine fast krankhafte Veranlagung in ihr verlangte nach Ordnung und Präzision, ob es sich nun um eine gefaltete Zeitung, ein Salzfässchen, Bücher auf einem Regal oder um ein Blumenarrangement handelte. Ihr Vater erhob sich nun vom Tisch. „Ich muss gehen“, erklärte er. „Bis der Senat Zusammentritt, habe ich nichts weiter als Besprechungen mit dem Komitee.“ Versonnen küsste er seine Töchter und nahm seine Papiere auf.
„Es sieht ganz so aus, als kämst du in die Politik“, bemerkte Abigail, nachdem ihr Vater fort war.
„Vielleicht kommt die Politik auch in mich.“ Bei Abigails bestürzter Miene brach Helena in Gelächter aus. „Bin ich zu frivol für dich?“ fragte sie. „Hat sich in dir denn noch nie das Verlangen nach einem Mann geregt?“
Da Abigail keine passende Antwort einfiel, sagte sie nur: „Also wirklich, Helena!“ und tat noch zwei Gramm Zucker in ihren Tee.
Während ihre Schwester pausenlos über den Hochzeitsempfang redete, spürte Abigail einen bitter-süßen Schmerz in der Brust. Wie herrlich wäre es doch, so in die Welt zu passen wie Helena und sich immer der Zuneigung, der Akzeptanz und der Wertschätzung der Menschen sicher zu sein!
„... und so habe ich ihn eingeladen, uns zu besuchen“, erzählte Helena gerade.
Abigail war sofort hellwach, und ihr Herz machte einen Satz. „Leutnant Butler?“
„Wer? Ach, der. Nein, ich sprach von Mr. Calhoun. Wenn du mir zugehört hättest, bräuchtest du nicht zu fragen.“
„Du willst also, dass dir Mr. Calhoun ebenfalls den Hof macht?“
„Hast du den Mann denn nicht gesehen? Gestern Abend begehrte ihn jede junge Dame im Saal.“
„Ich nicht!“ Abigail stellte sich das goldene Haar, das blendend gut aussehende Gesicht und die eisgrauen Augen vor, die einen Menschen unbarmherzig bis ins Innerste zu durchdringen vermochten. Der Mann hatte etwas Gefährliches, Raubtierhaftes an sich. Für ihn schien die Welt ungeheuer amüsant zu sein, doch hinter all seiner Heiterkeit wohnte eine kalte, umschattete Finsternis. Abigail erschien er nicht wie jemand, der in der Lage war, glücklich zu sein.
„Ich habe ihn natürlich nicht eingeladen, damit er mir den Hof macht“, fuhr Helena fort. „Er kommt, weil er bei Professor Rowan einziehen wird.“ Sie faltete die schmalen Hände unter dem Kinn und lächelte ein wenig rätselhaft. „Das ist doch einfach perfekt, nicht wahr? Der arme Professor Rowan läuft rastlos nebenan in diesem großen Haus herum, hat allen Platz der Welt und kann ihn mit niemandem teilen.“
Die gute Helena, dachte Abigail voller Zuneigung - stets versucht sie, anderen Leute zu ihrem Besten zu verhelfen und sie miteinander zu verknüpfen wie Fäden in einem Teppich. „Hast du den Professor schon davon unterrichtet, dass er einen neuen Abgeordneten als Untermieter bekommt?“
„Ich habe Dolly gleich heute Morgen nach drüben geschickt, damit sie das Haus aufräumt“, berichtete Helena. „Professor Rowan wird schrecklich dankbar sein, nicht wahr?“
Wahrscheinlich nicht, doch wie jeder andere Mensch war auch er unfähig, Helena zu widersprechen.
„Übrigens, was Leutnant Butler betrifft..." Abigail sprach wie nebenbei. „Willst du wirklich, dass er um dich anhält? Oder hast du das nur gesagt, um Vater zu gefallen?“ Mit angehaltenem Atem wartete sie auf die Antwort ihrer Schwester.
„Der Leutnant bat mich, mir aus Annapolis schreiben zu dürfen, und ich war natürlich damit einverstanden.“ Helena seufzte. „Er gefällt mir tatsächlich.“
„Und,
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