Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
Speisezimmer. Ihre Stimme hatte sich beinahe überschlagen, und ihr Vater und Abigail zuckten zusammen. Sie beugte sich zu beiden hinunter und küsste sie. „Was ist das doch für ein schöner Tag!“
Der Senator lächelte nachsichtig und legte die „Washington Post“, in die er bis jetzt vertieft gewesen war, aus der Hand, nahm seine silberumrandete Brille ab, erhob sich und rückte Helena den Stuhl zurecht. „In der Tat, ein schöner Tag.“
Wenige Minuten zuvor hatte Abigail ihm das Gleiche gesagt, doch das hatte er wohl schon vergessen. Unwillkürlich lächelte sie Helena ebenfalls an. Eine so schöne Person wie ihre Schwester sollte eigentlich heftige Eifersucht wecken, doch an ihrem Aussehen war diese schließlich ebenso wenig schuld wie Abigail an ihrem Fuß.
Senator Cabot hielt Helena einen Korb mit Zwieback und Konfitüre hin. Sie dankte ihm mit einem Lächeln. „Kaffee?“ erkundigte er sich.
„Ja, bitte.“
Sofort eilte ein Dienstmädchen herbei und schenkte ihr ein. „Abigail?“ fragte ihr Vater. „Möchtest du auch Kaffee?“
„Ich trinke Tee, Vater. Trotzdem vielen Dank.“ Morgens trank sie von jeher Tee.
Abigail liebte das gemeinsame Frühstück. Denn Franklin Rush Cabot füllte seine Rolle als liebevoller Vater nur selten aus, und die mit ihm gemeinsam verbrachte Zeit war kostbar. Manchmal meinte Abigail, ihre Schwester vermeide es, vom Heiraten zu reden, weil sie ihren Vater nicht verlassen wollte. Er war die einzige Konstante im Leben der Schwestern, die Sonne, um die sie sich drehten.
„Hast du heute etwas vor?“ fragte er Helena.
Sie nickte so heftig, dass ihre kupferroten Locken hin und her flogen. „Ich habe eine Anprobe bei Miss Finch. Sie hat bei Madame Broussard gelernt, weißt du.“ Helena stützte ihren Ellbogen auf den Tisch und das Kinn in die Hand. „Ich würde mir ja so gern ein Gewand von Madame selbst entwerfen lassen, doch es heißt, man müsse über ein Jahr lang warten.“
Der Senator hob die Augenbraue. „Tatsächlich? Ich werde einmal sehen, was ich machen kann.“
Helena strahlte. „Danke, Papa! Ach, ich bin ja so froh, dass ich deine Tochter bin!“
Er setzte die Brille wieder auf und las seine Zeitung weiter. „Die Freude ist ganz auf meiner Seite“, versicherte er. „Und du, Abigail? Du kannst doch auch etwas Neues gebrauchen, nicht wahr?“
Sie errötete. „Heute habe ich schon etwas anderes vor. Ich muss nach Foggy Bottom und Mr. Hockett beim Eichen seines Schiffschronometers helfen.“
„Dann ist wohl Hockett der Glücklichere von uns“, murmelte ihr Vater, ohne aufzuschauen.
Abigail lächelte ihn an, doch offenbar bemerkte er es nicht. Der feinsinnige und kluge Senator war offensichtlich stolz auf Helenas Aussehen und Abigails Leistungen, doch er schien mehr zu erwarten, als die Schwestern zu geben vermochten.
Versonnen betrachtete Abigail ihren Vater, sah das immer noch schöne Gesicht, die präzisen Falten seiner gestärkten Halsbinde, die sich von seiner rötlichen Haut abhob, und die funkelnden Augen, hinter denen eine Welt voller Gedanken verborgen lag. Eine Welle der Sehnsucht überschwemmte sie. Sie wollte seine Hand nehmen und ihn fragen, was er gerade dachte, doch sie wagte es nicht. Er enthielt ihr etwas vor. Abigail wusste nicht, was es war, doch sie spürte, dass er noch etwas Unausgesprochenes verlangte. Und wenn sie ihm das geben könnte, würde sein Glück vollkommen sein.
Seit vielen Jahren war er nun bereits Witwer und hatte nie das Herz gefunden, wieder zu heiraten. Allein diese Zurückhaltung ließ schon die Hoffnung vieler Damen wachsen. Über die Jahre hinweg hatten sie um seine Aufmerksamkeit gebuhlt, bisher jedoch ohne Erfolg. Deshalb fühlten sich die Schwestern umso mehr verantwortlich für sein Glück.
„Mr. Hockett hat auf meiner Hilfe bestanden“, erklärte Abigail, obwohl weder ihr Vater noch Helena danach gefragt hatten. „Nach der letzten Eichung ging der Apparat mehr als eine Sekunde nach.“
„Tatsächlich?“ fragte Senator Cabot, doch seine Stimme deutete Interesselosigkeit an. Er gab dem Dienstmädchen ein Zeichen und ließ sich noch einmal Kaffee einschenken.
Abigail wusste, dass ihr Vater sie liebte, aber er nahm sie nicht wirklich zur Kenntnis. Doch sie hatte die Hoffnung, dass er ihr sein ganzes Herz öffnen würde, wenn sie nur das Richtige täte - ihren Kometen entdeckte, Unterstützer für seine Gesetzesvorlage im Senat fände oder den richtigen Mann heiratete. Wahrscheinlich jedoch
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