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Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators

Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators

Titel: Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators Kostenlos Bücher Online Lesen
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Helena den Hof machte, war sicherer, als selbst das Objekt seiner Begierde zu sein. Auf diese Weise würde sie nicht riskieren müssen, sich zum Narren zu machen. Es war zwar nicht dasselbe, wie eine eigene Liebesaffäre zu haben, doch vielleicht war es besser, die sichere Seite vorzuziehen.
    Jedenfalls redete Abigail sich dies ein, während sie in aller Ruhe das Siegel erbrach und den Umschlag öffnete. Sie versuchte, ihren leichten Arger auf Helena zu unterdrücken, die ihre Stickerei aufnahm und einen Faden durch das Muster zog. Dies war doch der Beginn einer Liebesgeschichte! Könnte ihre Schwester nicht ein bisschen Achtung vor der Sache an den Tag legen?
    Wie gewöhnlich überließ Helena das Denken Abigail. Es hätte keinen Sinn, darauf hinzuweisen, dass dieser Brief die Privatkorrespondenz ihrer Schwester war und dass Abigail ihn eigentlich nicht lesen dürfte. Sie und Helena hatten bisher alles geteilt. Da sie beide von ständig wechselnden Kindermädchen und Hauslehrern erzogen worden waren, hatten sie beieinander Zuflucht gesucht. Ohne Mutter und bei einem Vater wie Franklin Cabot hatten sie es gelernt, zusammenzuhalten.
    Abigail faltete den Brief auseinander. Der Bogen trug das goldgeprägte Siegel eines Marineoffiziers. „Er hat eine schöne, deutliche Handschrift“, stellte sie fest und merkte, wie Erregung sie durchströmte. Die Sache mit dem Verlieben ist schon eine gefährliche Angelegenheit, fast so etwas wie ein seltener Virus, dachte sie. Obgleich sie diesen Mann liebte, hatte sie nicht erwartet, dass die Empfindung so ... körperlich sein würde. Es besaß für sie einen merkwürdigen Reiz, seine Schrift zum ersten Mal zu sehen. Das war etwas Persönliches und Intimes, ein Blick auf eine Facette des Boyd Butler, die ihr bislang verborgen geblieben war.
    „Natürlich hat er die“, meinte Helena. „So etwas lernt man doch auf der Marineakademie, nicht wahr?“
    Vermutlich hat er die Schreibkunst schon beherrscht, lange bevor er zur Marine ging, dachte Abigail, schwieg jedoch. Sie holte tief Luft und begann vorzulesen.
    ,„Meine liebe Miss Cabot“.“ Sie unterbrach sich, als sie das Flattern in ihrem Herzen fühlte; sie war niemandes Liebe. Bei dieser Anrede hätte sie gleichzeitig lachen und weinen mögen. Sie holte no ch einmal Luft und fuhr fort: „ Es heißt, die schöne Helena von Troja habe mit ihrem Gesicht tausend Schiffe in Fahrt gebracht. Darf ich mir erlauben zu sagen, dass die Helena von Georgetown ein Gesicht hat, das die gesamte Flotte der Vereinigten Staat en in Fahrt zu bringen vermag?“
    Sobald sie den Namen ihrer Schwester laut gelesen hatte, verwandelte sich Abigail in eine Maschine, in ein gepanzertes Reptil, das keinen Gefühlen zugänglich war.
    Obgleich sie gewusst hatte, dass Leutnant Butler Helena begehrte, hatte sie sich bis gerade eben einbilden können, die zarten Worte wären für sie bestimmt. Ohne ihre Stimme zu verändern, las sie weiter, doch in ihrem Inneren verwandelte sich alles zu Eis. Dies war ein Liebesbrief an ihre Schwester, und nicht an sie! ,„Ich denke immer nur an Sie, ob beim Exerzieren oder beim Morgenappell. Falls Sie mir auch nur den geringsten Bruchteil meiner Bewunderung für Sie zurückzugeben geneigt sind, würde ich mich als den privilegiertesten aller Männer betrachten.““
    Während sie vorlas, warf Abigail hin und wieder einen verstohlenen Blick auf ihre Schwester. In dem diffusen Licht des spätherbstlichen Morgens wirkte Helena wie eine Göttin aus einer anderen Welt, in der es nichts Hässliches und keine Missbildungen gab. Die kupferfarbenen Locken umrahmten ein perfektes, wie Porzellan schimmerndes Gesicht, das jetzt bewusst einen Ausdruck höflichen Interesses angenommen hatte. Dennoch stickte sie weiter, als führten ihre Hände ein Eigenleben.
    Abigail bemühte sich, ihre unsägliche Enttäuschung im Zaum zu halten, und las weiter vor, obgleich sie der Schluss des Briefes beinahe umbrachte. ,„Sie halten mein Herz wie einen Kristall in Ihren schlanken Händen ...““ Abigail schaute auf ihre eigenen kleinen, etwas breit geratenen Hände hinunter, bis die Worte auf dem Briefbogen verschwammen. Erst dann blinzelte sie ein paarmal, um wieder klar sehen zu können, und blickte zu ihrer Schwester hoch.
    Helena verschränkte die Hände in ihrem Schoß. „Wie reizend“, meinte sie. „Wie tief empfunden und entzückend.“ Sie runzelte die Stirn, als sie Abigails Miene sah. „Geht es dir nicht gut? Du siehst ein bisschen

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