Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
blass aus, Liebling.“
„Mir fehlt nichts.“ Abigail faltete die Seiten so andächtig zusammen, als hielte sie eine heilige Reliquie in den Händen.
„Und von wem, sagtest du, ist dieser Brief?“ fragte Helena. Abigail hätte das Schreiben beinahe zerknüllt, als sie es in den Umschlag zurücksteckte. „Oh, um alles in der Welt! Bist du so abgehärtet gegen Männerherzen, die dir zu Füßen liegen, dass du schon den Überblick verloren hast? Vielleicht sollten wir Buch über deine Eroberungen führen oder eine Strategiekarte anlegen, wie die in Vaters Arbeitszimmer, nur dass wir statt der Wählerblocks jeden deiner ..."
„Abigail, bitte.“ Helena drückte sich ein Taschentuch gegen die Wangen. „Ich wollte doch nicht schnippisch sein. Weshalb bist du nur so verstört? Das sieht dir gar nicht ähnlich.“
Abigail knirschte mit den Zähnen. „Selbstverständlich wolltest du es nicht. Aber ich! Sei ehrlich. Hast du wirklich vergessen, welcher Mann seine Seele vor dir ausgebreitet hat?“
Helena biss sich auf die Unterlippe. „Entweder war es Mr. Troy Barnes oder Leutnant Butler. Beide erkundigten sich ... nun, du weißt schon.“
Abigail wusste durchaus Bescheid. Seit Helena ins heiratsfähige Alter gekommen war und die vornehme Welt damit schockierte, dass sie sich nicht zu einer vorteilhaften Ehe entschließen mochte, hatte sie ständig Liebesbriefe bekommen.
„Er ist von Leutnant Butler.“ Abigail warf den Brief in Helenas Schoß. „Leutnant Boyd Butler.“
„Natürlich. Der Mann aus Annapolis.“
„Der Sohn des Vizepräsidenten.“
„Er tanzt wie ein Prinz.“
„Und er schreibt wie ein Dichter.“ Abigail stand auf und lief erregt hin und her. „Du darfst ihn nicht von dir weisen, Helena. Diesmal nicht. Er ist viel zu wichtig. Du hast Vater doch heute Morgen gehört. Eine Verbindung mit den Butlers würde ihm alles bedeuten.“
„Gewiss, nur versuche ich mich zu erinnern, warum ich meine Aufgabe darin sehen sollte, es Papa recht zu machen.“
„Helena!“
„Das war ziemlich ungezogen von mir, nicht wahr?“ Helena verfiel in verträumtes Schweigen; sie schien in Gedanken bei irgendetwas Wichtigem und Rätselhaftem zu sein.
Abigail hingegen konnte sich nicht beruhigen. Während sie ohne Widerrede versuchte, das Richtige zu tun, schwankte Helena zwischen Tochterliebe und offener Rebellion. Das Resultat war für beide Frauen dasselbe. Ihr Vater war zwar niemals grausam zu ihnen, behandelte sie jedoch mit zurückhaltender Höflichkeit, die in sich schon etwas Grausames hatte.
„Er will eine Antwort haben.“ Abigail schaute auf den Brief in Helenas Hand. „Er bittet - er fleht! - darum.“
Helena ließ das Schreiben auf ein Tischchen fallen und nahm ihre Stickerei wieder auf. „Gewiss, nur könnte ich nie ... Ach, du kennst mich doch, Abigail. Ich habe einfach kein Talent für so etwas. Mir fehlen dafür die richtigen Worte. Ich brauche dich, Liebling.“ Sie hob die Schwester bekümmert an. „Würdest du so nett sein?“
Abigail wandte sich zum Fenster, so dass Helena ihr Gesicht nicht sehen konnte. Am liebsten hätte sie abgelehnt, doch das ging nicht. Falls sie den Brief nicht schriebe, würde Helena sich irgendeine schonungslose Zurückweisung für Butler einfallen lassen und diese einer Sekretärin ihres Vaters diktieren, die dann die Angelegenheit mit mehr oder weniger Takt und Diskretion erledigen würde. Vor mehreren Jahren hatte sie eine gewissenlose Bedienstete damit beauftragt, einen Freier abzulehnen, und die Geschichte war dann am nächsten Tag in der „Post“ zu lesen gewesen.
Abigail ertrug den Gedanken nicht, dass Leutnant Butler ebenso behandelt wurde. Zwar hatte sie allen Anlass, ihm zu grollen, doch so etwas brachte sie nicht fertig. Ihm böse zu sein, weil er sich in Helena verliebt hatte, wäre dasselbe, als nähme sie es den Herbstblättern übel, dass sie herunterfielen und die ziegelgepflasterten Straßen von Georgetown verschmutzen.
„Und was soll ich ihm schreiben?“ wollte sie von ihrer Schwester wissen.
„Sage ihm, ich sei entzückt, von ihm zu hören, und teile seine Gefühle.“
„Was du jedoch nicht tust“, stellte Abigail fest. Dann fragte sie erschrocken: „Oder etwa doch?“
„Wahrscheinlich nicht. Aber wie du ganz richtig sagtest - dies ist wichtig für Papa. Denk nur daran, wie zufrieden er mit mir wäre, falls ich tatsächlich das Herz von Leutnant Barnes gewinnen würde.“
„Butler.“ Abigail hatte an nichts anderes
Weitere Kostenlose Bücher