Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
Idee, dachte er. Doch für Reue war es jetzt zu spät. Für ihn war es lächerlich einfach gewesen, gewählt zu werden. Er war ein Calhoun, und seit der Ratifizierung der Verfassung hatte stets ein Calhoun dem Kongress angehört. Wenn allerdings seine Abgeordnetenkollegen ihn so betrachten würden, wie es die allwissende Miss Cabot gerade tat, dann standen ihm mehr Schwierigkeiten bevor, als er angenommen hatte.
„Weshalb kamen Sie denn dann her?“ wollte sie wissen.
Um etwas gutzumachen, dachte er; um etwas in Ordnung zu bringen, dass sich nicht mehr in Ordnung bringen ließ. Er blickte Miss Cabot an, die noch auf eine Antwort wartete.
„Um meinen Distrikt zu repräsentieren“, behauptete er.
Sie lachte laut auf. „Falls Ihr Distrikt aus reichen, weißen männlichen Landeignern besteht, will ich das gern glauben. Oh, der Koran!“ sagte sie und bewunderte den ledergebundenen, schweren Band. Es schien, als hätte sie alles andere vergessen. „Einige der begnadetsten Astronomen der Geschichte waren Muslime. Und was ist dies hier?“
Jamie schwieg und beobachtete nur, wie sie das große illustrierte Buch aufschlug. Ihre Wangen röteten sich, und für einen winzigen Moment blitzte die pure Faszination in ihren Augen auf. Dann schlug sie den Band zu und stellte ihn in das Regal.
„Das ist das Kamasutra des Watsjajana“, erläuterte Jamie. Ihre Reaktion entzückte ihn. „Ein Hindu-Text aus dem vierten Jahrhundert. Kamasutra ist sanskrit und bedeutet ,Leitfaden der Liebe'.“ Er zog das Buch wieder aus dem Regal und blätterte es durch. Wie wäre es wohl, überlegte er, Abigail Cabot die Freuden zu zeigen, welche in den Holzschnittillustrationen dargestellt werden? Ihre Oberschenkel auseinander zu drücken, sie zu streicheln und dabei zu sehen, wie ihre Mitternachtsaugen sich in der Ekstase verschleierten ...?
Er lächelte über seine eigene Fantasie, stellte das Buch zurück und holte ein anderes heraus. „Ich besitze ebenfalls den ,Garten der Düfte“, eine Anleitung der arabischen Erotologie. Ich leihe es Ihnen gern einmal aus, Miss Cabot.“
„Sie sind abscheulich.“
„Und Sie wären keine Wissenschaftlerin, wenn Sie einen klassischen Text...“
„Ich sagte, Sie seien abscheulich, nicht der Text.“
„Sagen Sie mir, sind Sie immer so charmant zu Ihren Nachbarn?“
„Ich bin zu niemandem charmant.“ Sie nahm ihre Arbeit wieder auf. „Doch das werden Sie wohl bereits bemerkt haben.“ Eines der schweren Bücher fiel ihr aus der Hand, und als es auf ihrem rechten Fuß landete, schrie sie leise auf.
Jamie beeilte sich, es wieder aufzuheben. „Ist Ihnen etwas passiert? Ist der Fuß ...?“
„Es ist nichts geschehen!“ stieß sie mit solcher Heftigkeit hervor, dass er erstaunt zu ihr hochblickte. Das Blut war ihr in die Wangen geschossen, und sie senkte den Kopf.
Jamie verspürte den dringenden Wunsch, sie zu berühren; vorsichtig strich er ihr über den Arm. Sie war standhaft und robust, doch seltsam verletzlich. „Sie dürfen mich nicht so vertraulich behandeln. Das schickt sich nicht.“
„Ich richte mich selten nach Schicklichkeiten.“ Er stellte fest, dass ihre Lippen verlockend waren, solange sie diese nicht missbilligend schürzte.
Wahrscheinlich hatte sie seine Gedanken erraten, denn sie wich zurück und zeigte nun großes Interesse an dem Buch. „Dies ist in Altgriechisch", bemerkte sie in dem offensichtlichen Versuch, seine Aufmerksamkeit von sich abzulenken.
„Ach, deshalb diese lustigen Zeichen?“ Jamie gab vor, verblüfft zu sein. „Und ich hielt es für einen algebraischen Text.“
Das Rot auf ihren Wangen wurde noch intensiver. „Ich habe mich unentschuldbar scheußlich verhalten, nicht?“
„Scheußlich ja, aber nicht unentschuldbar.“
„Ich verdiene Ihre Verachtung.“
„Sie verdienen eine Tracht Prügel.“ Er lachte über ihre entsetzte Miene. „Und ich würde mich freuen, diese Strafe ausführen zu dürfen. Andererseits ordnen Sie meine Bücher so gut, dass ich Ihnen Strafaufschub gewähren will. Und versuchen Sie doch, von weiteren Bemerkungen über meinen armseligen, umnachteten Intellekt Abstand zu nehmen.“
Eine vergilbte Karte rutschte aus den Seiten von Xenophons „Über die Reitkunst“ heraus. Abigail nahm sie von der Tischplatte auf und schaute sie an. „Eine Fotografie“, stellte sie fest. „Gehört sie Ihnen?“
Er nahm sie ihr aus der Hand und fühlte sofort, wie sich sein Magen zusammenkrampfte. Es widerstrebte ihm, vor dieser
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