Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
Illustration, die sie in seinem „Kamasutra“ gesehen hatte, und erneut wallte Hitze in ihr auf.
„Die Männer in unserer Familie haben schon immer zu tief ins Glas geschaut“, erläuterte er und stellte die leere Karaffe auf einen Tisch.
„Glückwunsch.“
„Oh, glauben Sie mir, ich prahle nicht damit. Um ehrlich zu sein, das Trinken hat niemandem von uns etwas Gutes eingebracht. Vetter Hunter von Kalifornien gab es ganz auf, und das machte ihn zu einem neuen Mann.“
„Glauben Sie nicht, dass Sie es ebenfalls aufgeben sollten, um ein neuer Mann zu werden?“
Er schnaubte. „Warum sollte ich? Ich kann höchstens versuchen, ein alter Mann zu werden.“
„Ihr Ehrgeiz imponiert mir“, bemerkte sie. „Vielleicht sollten Sie schneller trinken; dann wäre Ihre Zeit eher abgelaufen, und wir wären Sie los.“
„Zu schade, dass man für bissige Bemerkungen nicht bezahlt wird, Abby, meine Liebe. Darin sind Sie nämlich ganz groß.“
Es behagte ihr nicht, wie er sie „Abby, meine Liebe“ nannte, denn er sprach wie ein geübter Schauspieler in einem Melodram. „Tatsächlich? Das ist nichts, worauf man stolz sein könnte.“
„Voltaire war immerhin damit erfolgreich. Und Mr. Mark Twain wird ebenfalls davon reich.“
Abigail fühlte sich seltsam unbehaglich, da sie allein mit diesem nachlässig bekleideten und empörend betrunkenen Mann in dem dämmrigen Salon war. „Ich wollte hier eigentlich etwas erledigen. Ich vergaß nämlich, den Brief abzusenden, den ich vorhin geschrieben habe.“
„Nur keine Sorge.“ Er winkte lässig ab. „Das habe ich für Sie erledigt. Vor gut zwei Stunden habe ich Meeks damit losgeschickt.“ Abigail lächelte. „Das war aber sehr nett.“ Sie ging zum Schreibtisch. „Dann werde ich nur rasch meine anderen Papiere ...“ Sie runzelte die Stirn. „Das ist ja merkwürdig. Ich ließ etwas unter der Löschmatte liegen, und nun ist es nicht mehr da.“
„Ich sagte Ihnen doch: Ich habe es abgeschickt.“
Noch immer verstand sie nicht. Sie hatte dem Leutnant in Helenas Namen einen amüsanten und vollkommen nichtssagenden Brief geschrieben, doch wo waren die anderen, nur für sie selbst bestimmten Zeilen geblieben? Die sie gar nicht erst hätte schreiben sollen, da sie ihre geheimsten Träume ausdrückten.
Ihr wurde eiskalt. Sie stützte die Hände auf die Schreibtischkante und drehte sich langsam um. „Wollen Sie damit sagen, Sie hätten den Brief abgeschickt, der unter der Löschmatte lag?“
Jamie rieb sich nachdenklich das Kinn. „Meinen Sie den langen, innigen Brief mit den zarten Geständnissen und den leidenschaftlichen Andeutungen? Ja, den habe ich auf den Weg gebracht. Sie brauchen sich nicht zu bedanken. Gern geschehen.“
Das Blut wich aus ihrem Gesicht. „Sie haben ihn gelesen?“ „Gewiss.“ Er grinste geradezu teuflisch befriedigt. „Wer hätte gedacht, dass Sie so viel Feuer und Leidenschaft in sich verbergen, Abby? Butler wird erstaunt sein. Ich war es zumindest.“
Voller Entsetzen hastete sie zur Tür und wäre beinahe gestolpert. „Wir müssen den Brief zurückhalten!“
Jamie ergriff ihren Arm. „Zu spät. Vermutlich drückt Butler ihn sich inzwischen schon ans Herz.“
Abigail entriss ihm ihren Arm. „Dieser Brief war ausschließlich für meine eigenen Augen bestimmt!“ rief sie wütend. „Weder für Leutnant Butlers Augen, und schon gar nicht für Ihre!“
„Aber Sie begannen ihn doch mit ,Mein lieber Leutnant Butler'. Oder schrieben Sie ,mein Liebster“? Wie dem auch sei, ich vergewisserte mich, dass der Brief für ihn bestimmt war und dass es sich bei der ersten Version um einen missglückten Entwurf handelte - ein höchst langweiliger Entwurf, möchte ich hinzufügen. Ich habe ihn verbrannt.“
Er lügt, dachte Abigail. Er muss einfach lügen. Nur ein gemeiner Kerl hätte diesen allzu privaten Brief versandt. Doch ein Blick in sein selbstgefälliges Gesicht belehrte sie eines Besseren. „Bei allem, was recht und anständig ist - wie konnten Sie nur so etwas Verachtenswertes tun?“
„Sie haben soeben Ihre eigene Frage beantwortet, meine Liebe: Ich bin nun einmal nicht anständig.“
Langsam ließ sie sich in einen Sessel sinken, als wäre sie ein Soldat, der in einer Schlacht verwundet worden war. Die Sätze, in denen sie ihre heimliche Bewunderung beschrieben hatte, brannten in ihrer Erinnerung. In diesem Brief hatte sie ihr Herz ausgeschüttet, und dieser entsetzliche Mann hatte alles gelesen und das Schreiben dann an
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