Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
damals fünfundzwanzig Jahre alt und der erfolgreichste Jockey des Landes war. Jamie schrieb darüber einen Brief an die Chesapeake Review, und als dieser dann veröffentlicht wurde, geriet die gesamte Region in Aufruhr.
Jamie hatte Noah stets vergöttert, und es wäre ihm niemals in den Sinn gekommen, dass seine Mutter den Sohn, den Charles Cal- houn mit einer Sklavin gezeugt hatte, vielleicht nicht anerkennen wollte. Doch Tabitha erlitt daraufhin einen Anfall von Schwermut, der sie schließlich drei Monate ans Bett fesselte.
Im darauf folgenden Jahr schickte man Jamie fort von Albion. Man schrieb ihn in einer muffigen, ehrwürdigen Akademie für Knaben in Philadelphia ein, und er kam nur für eine Woche zu Weihnachten und in den Sommerferien heim. Von da an bestand seine Jugendzeit aus einer Folge von erzwungenen Abreisen, obgleich er doch nur daheim sein, auf dem Land leben, etwas anbauen, Rennpferde züchten und abends auf der Veranda sitzen wollte, um die Sterne betrachten zu können.
„Du bist sehr still, mein Sohn“, stellte seine Mutter fest und setzte sich zu ihm auf die breite vordere Veranda. „Das sieht dir gar nicht ähnlich.“
Er nahm ihre Hand, die so schmal und gepflegt war wie die einer Königin. „Ich genieße nur den Ausblick, Mutter.“
„Ich liebe es auch, wenn Albion in allen Herbstfarben leuchtet. Die Blätter der Pappeln werden dann so herrlich golden.“
„Sie haben wirklich ein wunderschönes Anwesen“, stellte Senator Cabot fest, der mit seinem Gastgeber auf die Veranda trat.
Ein Diener erschien mit einem Feuchthaltebehälter aus Teakholz. Charles nahm sich eine Zigarre heraus und bot dann Jamie und Cabot eine an.
„Wahrscheinlich erscheint Ihnen unser kleines Stück Virginia recht provinziell nach der Betriebsamkeit in der Hauptstadt“, meinte Charles.
„Das ist gerade der Schlüssel zu seinem Charme“, erwiderte Cabot, holte seinen silbernen Zigarrenabschneider aus der Tasche und stutzte dann mit einer raschen und gekonnten Bewegung die Zigarre. „Sie können sich glücklich schätzen, ein solches Anwesen zu besitzen.“
„Zu schade, dass du nicht länger bleiben kannst.“ Tabitha lächelte ihrem Sohn zu. „Doch ich weiß ja, dass du deine Pflichten in der Hauptstadt hast.“
„So ist es, Ma’am.“ Darauf lief es immer hinaus; man erinnerte ihn daran, dass er in diesem Haus nur ein Gast war. Doch wenn er ein Gast in seinem eigenen Haus und ein Untermieter in Rowans Stadthaus war - wohin gehörte er dann überhaupt?
14 . KAPITEL
„S chreien Sie nicht“, befahl jemand, und eine große Hand bedeckte ihren Mund. „Ich bin es nur.“
Abigail hatte gerade einen wunderschönen Traum gehabt, den sie für alle Zeiten erinnern wollte: Sie tanzte anmutig einen herrlichen Walzer, und alle bewunderten sie. Derart grob geweckt, hätte sie nicht einmal schreien können, selbst wenn sie es versucht hätte. Schreck und Entsetzen machten sie stumm und lähmten sie, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten und sie den Eindringling erkannte.
Der zog jetzt die Hand fort.
„Was, um Himmels willen, fällt Ihnen denn ein?“ schalt Abigail. „Wie spät ist es? Ist irgendetwas passiert? Was ..."
Jamie Calhoun legte seine Hand wieder auf Abigails Mund. „Also, um Ihre Fragen zu beantworten: Ich wollte Ihnen etwas zeigen. Es ist zwei Uhr morgens. Und passiert ist nichts, es sei denn, Sie beabsichtigten, das ganze Haus aufzuwecken und eine große Szene zu machen.“
Sie riss seine Hand fort und blickte zu dem Deckenhaufen auf dem Bett an der anderen Zimmerseite, wo Helena schlief. „Was, um alles in der Welt, wollen Sie mir zeigen?“ fragte sie ärgerlich im Flüsterton.
„In der Welt gar nichts.“ Er ließ einen langen Baumwollmantel in ihren Schoß fallen. „Ziehen Sie den an, und kommen Sie mit.“ Ein Zündholz zischte und flammte auf. Er steckte eine Lampe an und hielt ihr den Nachtmantel entgegen.
Abigail saß in der Falle. Aufstehen konnte sie jetzt nicht, und schon gar nicht bei Lampenlicht. „Ich werde nichts dergleichen tun!“
„Stellen Sie sich nicht so an.“ Er schüttelte den Nachtmantel. „Kommen Sie schon. Sie verschwenden Zeit.“
„Hinaus mit Ihnen! Sie wecken noch Helena auf.“
„Dafür hat Professor Rowan bereits gesorgt.“
Abigail drückte sich die Bettdecke an die Brust und lugte durch das Gästezimmer. „Ist sie fort?“
„In der Tat.“ Er schlenderte zu dem anderen Bett hinüber und nahm die Kissen auf, die so
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