Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
ob er wohl ahnte, wie heftig ihr Flerz schlug. „Das war nur ein Eichhörnchen oder vielleicht ein Opossum. Ziehen Sie den Kopf ein.“ Am Ende des Dachbodens öffnete er eine niedrige Tür, und sie traten auf ein Flachdach hinaus, das von einem niedrigen Geländer umgeben war.
„Löschen Sie das Licht“, bat sie. Die Nacht verzauberte sie augenblicklich, so dass für ein anderes Gefühl kein Platz mehr blieb. Als die Lampe aus war, hob Abigail das Gesicht zum Himmel und drehte sich langsam im Kreis. „Das ist ja wundervoll hier, Mr. Calhoun. Ich habe mich immer nach einem so dunklen und abgelegenen Ort gesehnt.“
„Sie hätten schon längst einmal nach Albion kommen sollen. Wir befinden uns hier mitten in der Wildnis.“
Die vollkommene Klarheit des Nachthimmels begeisterte sie. Selten hatte sie die Konstellationen so scharf sehen und nie so viele ungewöhnliche Färbungen und Formationen mit bloßem Auge unterscheiden können.
„Im Frühling gibt es hier so viele Frösche, die einen solchen Lärm machen, dass man sich selber nicht denken hören kann.“ Jamie trat an das Geländer, das sich dem Wasser gegenüber befand. „Zu dieser Jahreszeit ist es hier ruhiger.“ Er deutete auf einen gerade gewachsenen Baum, der gut hundert Fuß hoch war. „Sehen Sie die alte Sumpfkiefer da drüben? Vor vielen Jahren baute der Vetter meines Vaters dort eine Aussichtsplattform, damit er den Schiffsverkehr in der Bucht beobachten konnte. Er wurde später Kapitän. Jetzt ist er im Ruhestand und wohnt in einem schönen alten Haus am Cape Cod. Ich würde Sie gern einmal mit auf die Plattform nehmen, doch wahrscheinlich ist das Holz inzwischen morsch geworden.“
„Hier geht es ja auch.“ Tief sog sie den Geruch von Seewasser, Herbstblättern und Heu ein. „Albion ist ein herrliches Anwesen und so voller Familiengeschichte, nicht wahr?“
„Ich denke schon“, antwortete er eher gleichgültig, und aufs Neue fragte sie sich, was er wohl tatsächlich über diesen Ort dachte.
Sie versuchte, eine dunkle Silhouette am Horizont auszumachen. „Was ist das?“
„Die Ruinen einer angrenzenden Plantage. Sie hieß Bonterre und gehörte den Beaumonts. Im Krieg wurde sie von den Yankees niedergebrannt.“
„Wie entging Albion diesem Schicksal?“
„Die United Army erklärte es zu Offiziersunterkünften und einem Hospital.“
„Das war Glück für die Calhouns, nicht?“
„Glück hatte damit nichts zu tun. Manche Leute meinten, die Yankees hätten es wegen unserer strategischen Lage verschont, doch das war nicht der einzige Grund. Die Familie Calhoun trat bereits 1851 für die Abschaffung der Sklaverei ein, als Vetter Hunter Albions Sklaven freiließ. Als mein Vater dann die Farm übernahm, führte er die Tradition der bezahlten Arbeit fort. Man sagte mir, damit habe er sich bei den Nachbarn nicht beliebt gemacht.“ „Es muss Sie mit Stolz erfüllen, ein Teil dieser Tradition zu sein.“ Eine merkwürdige Regung packte Abigail. Nun, da sie Jamie und dessen Familie besser kennen lernte, hatte sie das Gefühl, als entfernte sie trennende Schichten und näherte sich dem Mann, der er wirklich war.
„Und welche Spuren werden Sie hinterlassen, Mr. Calhoun?“ „Ist es denn erforderlich, dass ich das tue?“
„Schon möglich. Das scheint doch eine Tradition bei den Calhouns zu sein.“
„Zugegeben - dass ich wusste, weshalb Albion während des Krieges verschont blieb, war einer der Gründe, weshalb ich mich in den Kongress wählen ließ; ich finde, es zahlt sich manchmal aus, in die Politik zu gehen.“
Er nahm sie bei der Hand und führte sie zur Mitte des Daches, wo zu ihrer Überraschung eine dicke Decke ausgebreitet war. Ein Korb mit Äpfeln stand darauf, daneben lagen ein Käse- und ein Brotlaib. „Was ist das?“ fragte Abigail erstaunt.
„Falls Sie ein Picknick nicht erkennen, wenn Sie eines sehen, dann müssen wir noch mehr arbeiten, als ich dachte.“ Er nahm ihre Hände. „Setzen Sie sich.“
Obwohl ihr die unpassende Kleidung äußerst peinlich war, ließ sie sich nieder und hoffte, der Nachtmantel möge sie züchtig bedecken. Jamie schien ihr Unbehagen nicht zu bemerken, sondern setzte sich neben sie und reichte ihr einen Apfel. Abigail nahm ihn entgegen, als wäre er eine verbotene Frucht. Eher trotzig biss sie hinein.
„Hier ist es also für Sie dunkel genug, ja?“
„In der Tat, das ist es.“ Sie blickte zum Nachthimmel hoch. „Es ist ein Segen, dieses Anwesen zu haben. Wird es eines Tages
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