Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
fragte sie und bemühte sich, nicht in ein bitteres, völlig unpassendes Lachen auszubrechen.
„Bevor wir uns an Ihren Vater wenden, darf ich noch sagen, dass Sie mich ungemein glücklich gemacht haben. An jenem Abend, da wir uns trafen, schwangen sich meine Hoffnungen himmelwärts, doch ich wagte nicht zu glauben, dass eine Liebe wie die unsrige gedeihen könnte. Dann jedoch trafen Ihre Briefe ein, und da gelangte ich zu der Erkenntnis, dass wir doch füreinander bestimmt sind.“
Dieser Mann hat nichts, aber auch gar nichts von Michael, dachte sie. Der Leutnant war makellos ordentlich, absolut ernsthaft und sich ihrer Gefühle oder Gedanken nicht im Geringsten bewusst. Sie sollte sich eigentlich nicht wünschen, dass er so wäre wie Michael - ebenso sinnlich, unfein und brillant. Und doch tat sie es. Oh, wie sehr sie es sich wünschte!
„Was hat Sie auf diese Idee gebracht?“ fragte sie.
„Selbstverständlich Ihre Briefe.“
„Die Briefe.“
„Ja. Ich kenne sie alle auswendig, meine Liebe. ,Wenn ich auch nichts anderes im Leben bin, so bin ich doch der Wächter Ihrer Seele'“, zitierte er. ,„Sie haben mir einen Grund gegeben, an Dinge zu glauben, die jenseits des Himmels liegen.““
„Das hat sie geschrieben?“
„Sie?“ Der Leutnant blickte verblüfft drein. „Das haben Sie geschrieben, wissen Sie nicht mehr? Ich ahnte ja nicht, dass ich so geliebt werden könnte.“
Helenas Befürchtung wurde zur Gewissheit. „Großer Gott! Sie liebt Sie!“
„Was?“ Seine perfekte Haltung schien Risse zu bekommen.
„Ich ahnte nicht ... Ich dachte, sie schriebe diese Briefe nur auf meine Bitte hin und hielte die Korrespondenz nur aufrecht, um unserem Vater zu gefallen. Aber sie liebt Sie ja. Nicht Mr. Calhoun, wie ich irrtümlich annahm, sondern Sie!“
Helena runzelte die Stirn; sie musste ihre Gedanken erst einmal neu ordnen. „Zu dumm aber auch; Mr. Calhoun liebt Abigail, doch die liebt Sie! Nun, mir liegt mehr an meiner Schwester als an Mr. Calhoun, und deshalb werde ich ihr geben, was sie begehrt. Und das, Herr Leutnant, sind offensichtlich Sie.“
„Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.“ Besorgt schaute er sie an. „Ich auch nicht - bis jetzt.“ Oh Abigail, weshalb hast du mir das nicht gesagt? dachte sie.
Weil Abigail eben Abigail war, die gehorsame Schwester, die es gewohnt war, zurückzutreten und Helena in allem die erste Wahl zu überlassen - einschließlich der des Ehegatten. Sie, die stets stolz auf ihre Menschenkenntnis gewesen war, hatte das geheime Begehren ihrer Schwester überhaupt nicht zur Kenntnis genommen!
„Allerliebste Helena.“ Boyd Butler ließ sich vor ihr auf einem Knie nieder und nahm ihre Hände. „Geht es Ihnen auch wirklich gut?“
Sie studierte sein ernstes Gesicht und dachte an ihr eigenes Bedürfnis. Falls sie den Leutnant tatsächlich ehelichte, würde er ein standhafter und loyaler Ehemann und Vater sein, denn er war wohl tatsächlich ein guter Mensch.
Dennoch durfte sie Abigail das nicht antun - auch nicht Papa zuliebe. Doch nun stand sie vor dem Problem, die Lage diesem Mann erklären zu müssen.
Aufrecht und ehrenhaft, wie er war, würde Leutnant Butler diese Täuschung gewiss nicht auf die leichte Schulter nehmen. Abigail zuliebe musste sie ihm klarmachen, woher die Leidenschaft in den Briefen gekommen war.
„Sagen Sie mir, wann Sie sich in mich verliebt haben, Leutnant. Nennen Sie mir den genauen Zeitpunkt.“
„Das war in dem Moment, da ich Sie zum ersten Mal sah.“ „War es nicht!“ widersprach sie. „Liebe auf den ersten Blick ist zwar eine romantische, jedoch völlig falsche Vorstellung.“
„Nein. Ich schwöre, Sie sind das Allerschönste, das ich je gesehen habe.“
„Unsinn. Falls jedermann sich nur in etwas verliebt, weil er dessen Schönheit bewundert, würden wir uns alle zum Washington Monument und den Azaleenbüschen im Garten unseres Nachbarn hingezogen fühlen. Also, wann wurde aus Ihrer Bewunderung Liebe?“
„Ich glaube, das war“ - seine Miene wurde weicher und drückte jetzt Zuneigung aus - „als Sie schrieben, ich sei eine Konstante in Ihrem Herzen wie der Polarstern. Da fühlte ich mich anerkannt und stark. Das war außergewöhnlich, überwältigend.“
Noch ein letztes Mal zögerte Helena. Sie befand sich wirklich in der Klemme, und die Hochzeit mit dem Leutnant wäre die Lösung. Doch ihr wurde klar, dass es keine Entschuldigung dafür geben würde, wenn sie den Mann stähle, den Abigail liebte. Sie
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